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Die Frequenzen

Die Frequenzen

Titel: Die Frequenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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Hosentaschen mit Nüssen, um für die Fanfare
Da Nuces
gewappnet zu sein.
    – Danutz?
    – Da Nuces. Das heißt:
Gib Nüsse
. Ja, ich hab auch lachen müssen, als ich das zum ersten Mal gehört hab. Das Brautpaar schreitet unter einem Schleier dahin, girlandenverziert wie der Garten und die Gäste, und die von weither gereisten Verwandten mit dem Familiengesicht sehen alle so aus, als trügen sie unsichtbare Papierkronen auf ihren Köpfen. Das Hochzeitspaar selbst ist in überirdisches Blau gekleidet, die Farbe des Himmels, zumindest hier auf der Erde. Vom Mond aus betrachtet ist der Himmel schwarz wie das Innere eines Kleiderkastens. Kinder laufen herum, gehören scheinbar nirgendwohin, spielen ständeübergreifende Spiele im angrenzenden Gartenlabyrinth. Oder nein. Im hintersten Winkel des Gartens, wo sich Rosenhecken schütteln, obwohl sie nicht nass sind.
    Da Gerald mir nicht mehr zuhört, drücke ich den Lautstärkeregler auf meiner inneren Fernbedienung. Wenn ich das tue, beginne ich zwar meist mit den Zähnen zu knirschen, weil die Worte so leichter zu hören sind, aber ich will niemanden verscheuchen, zumindest jetzt noch nicht. Ich höre mich sagen:
    – … und ein Junge in Rot ist der einzige Mann unter den Kindern. So ein Junge wie du, Gerald, der mit Ästenauf andere Menschen schießt und sich die Finger so nah an das Auge hält, bis die ganze Welt zu einer Ameise wird, die man zerquetschen kann. Der Junge wird zunehmend verwirrter und wilder, weil die Mädchen ihm andauernd ihre Zöpfe vorhalten und ihn daran ziehen lassen. Er weiß anfangs gar nicht, was er davon zu halten hat, ständig laufen sie ihm durch die Hände, diese festen, wie Stroh knisternden Zöpfe. Sein Gesicht wird davon ganz rot und benommen, er beginnt zu schwitzen in seinem heißen Sonntagskostüm und jagt den Mädchen schnaufend durchs kniehohe Gras hinterher. Und die Mädchen lassen sich von ihm weiter an den Zöpfen ziehen. Warum tun sie das nur, denkt er, er rennt ihnen keuchend hinterher, er ist schon ganz taumelig, will ihnen richtig wehtun, ihnen die Zöpfe ausreißen. Er sieht sich Hilfe suchend nach seinem Vater um, der ihn irgendwann gnädigerweise einfängt, ihn erlöst von dem seltsamen Spiel, in dem alles erlaubt ist, aber gleichzeitig alles unbekannt und gefährlich. Die Mädchen mischen sich wieder kichernd unter ihre Familien. Ihre Köpfe, die empfindsame Haut und die Nacken tun ihnen zwar weh, aber sie sagen nichts, beklagen sich nicht, werfen sich nur bedeutungsvolle Blicke zu. Sie lassen den Schmerz so stehen, wie er ist, denn sie haben getan, was nötig war. Oder es ist gleich eine ganze Gruppe Jungen da. Und eine Gruppe Mädchen. Eines der Mädchen kommt auf die Jungen zu. Diese bemerken sie und beginnen sofort herumzualbern, fallen übereinander her, nehmen einen von ihnen, den schwächsten, der gleichzeitig der Klassenclown ist, in den Schwitzkasten, und der Klassenclown wehrt sich gar nicht, sondern winkt fröhlich seinen Zuschauern zu, so wie er es immer tut, wenn es ihm schlecht geht: mit einer Hand, winke winke, von der erhöhten Bühne des Augenblicks hinunter in den finsterenTheatersaal. Das Mädchen macht eine eindeutige Geste: Sie fährt sich mit dem Zeigefinger quer über die Kehle.
Kopf ab
. Die Jungen erstarren. Der Klassenclown hört auf zu winken.
    – Ist er das?
    Einen Augenblick bin ich verwirrt und stehe von der Wartebank auf. Da fährt der Bus wieder los, und ich setze mich hin, als würde mich der Ruck des anfahrenden Busses in den Sitz drücken.
    – Ja, das war er. Gehen wir zu Fuß, sage ich. Entschuldige, ich hab nicht aufgepasst.
    – Alex?
    – Ja, was denn?
    – Du knirschst mit den Zähnen.
    – Ist mir noch nie aufgefallen.
    – Ich kann auch mit den Zähnen knirschen. Willst du mal hören?
    – Nur zu.
    – Nnnng … Ach, jetzt hast du mich rausgebracht, jetzt kann ich es nicht mehr.
    Er hält sich den Unterkiefer fest.
    – Meinst du so?, frage ich und lasse ein Knirschen hören, das selbst mir die Haare aufstellt.
    – Ich hab das auch einmal gekonnt.
    Meine Gedanken wandern wieder fort, erschaffen eine Szene bevorstehender Peinlichkeiten.
    Ein paar Männer in grünen Anzügen zücken ihre Handys und halten sie wie salutierende Schwerter über das schneeweiße Hochzeitspaar. Aus den piepsenden Lautsprechern ertönt der Hochzeitschor aus
Lohengrin
.
Piep-pip-pip-Pieeep.
Niemand kennt den Text, aber alle singen mit, nachdem sie die Melodie erkannt haben:
    –
Naah-Na-Na-Naaaah!
    In

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