Die Freude am Leben
Mädchen bedient, oft genötigt, seine Suppe selber aufs Feuer zu setzen. Und zu allem Unglück taugte die Erde nichts auf diesem Felsen, der Wind versengte ihm seine Salatköpfe, es war wirklich keine Freude, sich mit den Kieselsteinen herumschlagen zu müssen und so magere Zwiebeln zu ernten. Trotzdem versteckte er sich noch, wenn er seinen Kittel überzog, aus Furcht, daß man dessenthalben die Religion verspotten würde. Daher auch wollte Lazare sich zurückziehen, als er sah, wie der Pfarrer eine Pfeife aus seiner Tasche holte, sie mit dem Daumen stopfte und laut und kräftig daran zog, um sie in Gang zu bringen. Doch als der Pfarrer eben glückselig die ersten Züge genoß, erblickte auch er den jungen Mann. Er machte eine erschreckte Bewegung, um seine Pfeife zu verbergen, dann begann er zu lachen und rief:
»Sie schöpfen Luft ... Kommen Sie doch herein, Sie können sich meinen Garten ansehen.«
Als Lazare neben ihm stand, fügte er fröhlich hinzu:
»Nicht wahr? Sie treffen mich bei einer Ausschweifung an ... Ich habe nur das, mein Freund, und Gott nimmt es gewiß nicht übel.«
Er paffte weiter und nahm seine Pfeife nur noch aus dem Mund, um kurze Sätze von sich zu geben. Immer wieder kam er auf den Pfarrer von Verchemont zurück: ein glücklicher Mann, der einen prächtigen Garten hatte, reine Muttererde, auf der alles gedieh; und wie doch alles schlecht eingerichtet war, nicht einmal harken tat jener Pfarrer. Dann beklagte er sich über seine Kartoffeln, denn seit zwei Jahren gingen sie ein, obgleich der Boden ihnen zuträglich sein mußte.
»Daß ich Sie nur nicht störe«, sagte Lazare zu ihm. »Machen Sie Ihre Arbeit ruhig weiter.«
Der Abbé griff sofort wieder zu seinem Spaten.
»Wahrhaftig, ich möchte schon ... Diese Spitzbuben werden gleich zum Katechismusunterricht kommen, und ich möchte dieses Beet gern vorher fertigmachen.«
Lazare hatte sich auf eine Granitbank gesetzt, irgendeinen alten Grabstein, der an die kleine Friedhofsmauer gelehnt stand. Er sah zu, wie Abbé Horteur sich mit den Steinen herumschlug, er hörte ihm zu, wie er mit seiner hohen Stimme eines alten Kindes plauderte; und es überkam ihn ein Verlangen, ebenso arm und einfach zu sein, mit leerem Kopf und ruhigem Fleisch. Um den guten Mann in dieser erbärmlichen Pfarre alt werden zu lassen, mußte das Bistum ihn wahrhaftig für einen Menschen von großer Unschuld im Geiste halten. Im übrigen gehörte er zu jenen, die sich niemals beklagen und deren Ehrgeiz befriedigt ist, wenn sie Brot zu essen und Wasser zu trinken haben.
»Es ist nicht gerade lustig, zwischen diesen Kreuzen zu leben«, dachte der junge Mann laut.
Überrascht hatte der Priester zu graben aufgehört.
»Wieso, nicht lustig?«
»Ja, man hat immer den Tod vor Augen, man muß doch in der Nacht davon träumen.«
Der Pfarrer nahm seine Pfeife aus dem Mund und spuckte tüchtig aus.
»Weiß der Himmel, daran denke ich nie ... Wir stehen alle in Gottes Hand.«
Und er nahm wieder seinen Spaten, trat ihn mit dem Absatz in die Erde. Sein Glaube bewahrte ihn vor der Angst, er ging über den Katechismus nicht hinaus: Man starb und kam hinauf in den Himmel, nichts war weniger kompliziert noch beruhigender. Er lächelte mit eigensinnigem Ausdruck, die feste Vorstellung vom Heil hatte genügt, seinen engen Schädel auszufüllen.
Von diesem Tage an kam Lazare fast jeden Morgen in den Garten des Pfarrers. Er setzte sich auf den alten Stein und verweilte dabei, ihn sein Gemüse bestellen zu sehen, einen Augenblick lang beruhigt durch diese blinde Unschuld, die vom Tode lebte, ohne davor zu erschauern. Warum denn sollte er nicht wieder zum Kinde werden wie dieser Greis? Und er hatte im tiefsten Innern die geheime Hoffnung, den entschwundenen Glauben wiederzuerwecken, in diesen Unterhaltungen mit einem Einfältigen im Geiste, dessen ruhige Unwissenheit ihn entzückte. Er brachte selber eine Pfeife mit, beide rauchten, während sie über die Schnecken sprachen, die den Salat auffraßen, oder über den Dung, der zu teuer war; denn der Priester sprach selten von Gott, in seiner Duldsamkeit und Erfahrung eines alten Beichtvaters hatte er ihn für sein persönliches Heil aufgespart. Die anderen erledigten ihre Angelegenheiten, er erledigte die seine. Nach dreißig Jahren nutzloser Ermahnungen hielt er sich an die strikte Ausübung seines Amtes mit der wohlgeordneten Barmherzigkeit des Bauern, der bei sich selber den Anfang macht. Es war sehr freundlich von diesem
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