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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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dringlichen Briefe, die seine Frau ihm schrieb. Seit sechs Wochen war er in Bonneville, und es schien ihnen, als müsse dieses Leben grausamer und köstlicher Erschütterungen jetzt ewig währen.
    Eines Sonntags beim Abendessen wurde Chanteau munter, nachdem er sich ein Glas Burgunder genehmigt hatte, eine Ausschweifung, die er jedesmal teuer bezahlte. An jenem Tage hatten Pauline und Lazare bei strahlend blauem Himmel zauberhafte Stunden am Meer verbracht; und sie wechselten gerührte Blicke, in denen die Unruhe ob dieser Angst vor sich selber flackerte, die ihre Kameradschaft jetzt so leidenschaftlich machte.
    Alle drei lachten, als Véronique in dem Augenblick, da sie den Nachtisch auftragen wollte, an der Küchentür erschien und rief:
    »Da kommt die gnädige Frau!«
    »Welche gnädige Frau?« fragte Pauline höchst erstaunt.
    »Na, Frau Louise natürlich!«
    Es verschlug ihnen die Sprache. Der verstörte Chanteau sah, wie Pauline und Lazare erbleichten. Letzterer aber erhob sich ungestüm und stammelte vor Zorn:
    »Wie! Louise? Sie hat mir doch gar nicht geschrieben! Ich hätte ihr verboten, hierher zu kommen ... Ist sie denn verrückt?«
    Die Abenddämmerung senkte sich sehr klar und sehr mild herab. Lazare hatte seine Serviette fortgeworfen und war hinausgegangen; Pauline folgte ihm, bemüht, ihre lächelnde Heiterkeit wiederzufinden. Es war in der Tat Louise, die mühsam aus Vater Malivoires Wagen stieg.
    »Bist du toll?« rief ihr Lazare vom Hof aus entgegen. »Wie kannst du solche Dummheiten machen, ohne zu schreiben!«
    Da brach sie in Tränen aus. Dort unten war sie ganz krank und langweilte sich so! Da ihre beiden letzten Briefe ohne Antwort geblieben waren, hatte sie das unwiderstehliche Verlangen gepackt abzureisen, ein Verlangen, in das sich der sehnliche Wunsch mischte, Bonneville wiederzusehen. Wenn sie ihn nicht benachrichtigt hatte, so aus Angst, daß er sie daran hinderte, ihren Wunsch zu befriedigen.
    »Und ich hatte mich so darauf gefreut, euch alle zu überraschen!«
    »Das ist lächerlich. Du wirst morgen wieder abreisen!«
    Louise, der dieser Empfang den Atem benahm, fiel Pauline in die Arme. Als diese sie so unbeholfen in ihren Bewegungen sah, mit der stärker gewordenen Taille unter dem Kleid, war sie noch bleicher geworden. Jetzt spürte sie diesen Leib einer schwangeren Frau an ihrem Körper und empfand Entsetzen und Mitleid darüber. Endlich gelang es ihr, den Aufruhr ihrer Eifersucht zu überwinden, sie brachte Lazare zum Schweigen.
    »Warum sprichst du so hart zu ihr? Gib ihr einen Kuß ... Meine Liebe, du hast recht daran getan, zu kommen, wenn du meinst, daß du dich in Bonneville wohler fühlst. Du weißt, daß wir dich alle liebhaben, nicht wahr?«
    Loulou heulte, wütend über diese Stimmen, die den gewohnten Frieden des Hofes störten. Minouche hatte sich, nachdem sie die Nase auf die Freitreppe hinausgesteckt, zurückgezogen und schüttelte die Pfoten, als hätte sie sich bei einem unangenehmen Abenteuer beinahe kompromittiert. Alle gingen ins Haus, Véronique mußte ein Gedeck auflegen und das Essen noch einmal auftragen.
    »Wie! Du bist es, Louisette?« wiederholte Chanteau mit unruhigem Lachen. »Du hast deine Familie überraschen wollen? Ich hätte mich darüber fast an meinem Wein verschluckt.«
    Der Abend ging jedoch gut zu Ende. Alle hatten ihre Kaltblütigkeit wiedererlangt. Man vermied es, irgend etwas für die folgenden Tage zu regeln. In dem Augenblick, da man hinaufgehen wollte, gab es von neuem Verlegenheit, als das Hausmädchen fragte, ob Herr Lazare im Zimmer der gnädigen Frau schlafe.
    »O nein, Louise wird sich so besser ausruhen«, murmelte Lazare, der unwillkürlich einen Blick von Pauline aufgefangen hatte.
    »Ja, ja, schlaf du nur da oben«, sagte die junge Frau. »Ich bin entsetzlich abgespannt, dann habe ich das ganze Bett für mich.«
    Drei Tage vergingen. Pauline faßte endlich einen Entschluß. Sie würde das Haus am Montag verlassen. Schon sprach das Ehepaar davon, bis zum Augenblick der Niederkunft zu bleiben, die man nicht vor einem reichlichen Monat erwartete; aber sie ahnte wohl, daß ihr Cousin genug von Paris hatte und daß er seine Jahreszinsen schließlich in Bonneville verzehren würde, als ein über seine ständigen Fehlschläge verbitterter Mann. Das beste wäre, ihnen sofort den Platz zu überlassen, denn es gelang ihr nicht, sich zu überwinden, sie fand noch weniger als früher den Mut, mit ihnen in ihrem vertrauten Umgang von Mann und

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