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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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mich überfahren! Nein, ich habe genug von diesen Aufträgen, von denen ich nichts begreife! Ganz abgesehen davon, daß meine Laterne ausgegangen ist.«
    Und sie drängte ihren Herrn, sie wollte ihn zwingen, zu Ende zu essen, damit sie wenigstens den Tisch abräumen könnte. Er hatte keinen Hunger, wollte aber dennoch ein wenig kalten Braten nehmen, mehr um sich zu zerstreuen. Was ihn jetzt ärgerte, war der Wortbruch des Abbés. Warum versprechen, daß man den Leuten Gesellschaft leisten will, wenn man entschlossen ist, zu Hause zu bleiben? Die Pfarrer gaben allerdings eine sehr komische Figur ab, wenn die Frauen niederkamen! Dieser Gedanke belustigte ihn, und fröhlich schickte er sich an, ganz allein zu speisen.
    »Nun los, Herr Chanteau, beeilen Sie sich«, wiederholte Véronique. »Es ist bald ein Uhr, mein Abwasch kann nicht bis morgen so herumstehen ... Das ist vielleicht ein verflixtes Haus, in dem es dauernd drunter und drüber geht!«
    Sie begann die Teller abzuräumen, als Pauline sie von der Treppe her mit dringlicher Stimme rief. Und Chanteau fand sich wieder vor dem Tisch, von neuem vergessen, ohne daß jemand herunterkam und ihm Nachricht brachte.
    Frau Bouland hatte gebieterisch von dem Zimmer Besitz ergriffen, durchwühlte die Möbel, gab Anweisungen. Sie ließ zunächst Feuer anzünden, denn der Raum schien ihr feucht. Dann erklärte sie, das Bett sei unbequem, zu niedrig, zu weich; und als Pauline ihr sagte, daß sie auf dem Dachboden ein altes Gurtbett hätten, ließ sie es von Véronique holen, richtete es vor dem Kamin her, indem sie ein Brett darauflegte und es mit einer einfachen Matratze ausstattete. Dann brauchte sie eine Menge Wäsche, ein Bettuch, das sie vierfach zusammenlegte, um die Matratze zu schützen, andere Bettücher und Handtücher und Wischtücher, die sie auf Stühlen vor dem Feuer vorwärmte. Bald sah das Zimmer, vollgestopft mit Wäsche und durch das Bett versperrt, wie ein Feldlazarett aus, das in Erwartung einer Schlacht in Eile eingerichtet wurde.
    Im übrigen redete sie jetzt unaufhörlich, ermahnte Louise mit militärischer Stimme, als wollte sie dem Schmerz befehlen. Pauline hatte sie leise gebeten, nicht vom Arzt zu sprechen.
    »Es wird nicht schlimm sein, kleine Frau. Ich würde Sie lieber liegen sehen; aber da Sie das aufregt, gehen Sie nur ohne Furcht umher, stützen Sie sich auf mich ... Ich habe Frauen im achten Monat entbunden, deren Kinder kräftiger waren als die anderen ... Nein, nein, das tut Ihnen nicht so weh, wie Sie glauben. Wir werden Sie nachher leicht und schnell davon befreien.«
    Louise beruhigte sich nicht. Ihre Schreie nahmen den Charakter schrecklicher Herzensangst an. Sie klammerte sich an die Möbel; für Augenblicke ließen zusammenhanglose Worte erkennen, daß sie sogar ein wenig im Fieberwahn redete. Die Hebamme, die Pauline beruhigen wollte, erklärte ihr leise, daß die Schmerzen bei der Erweiterung des Muttermundes manchmal unerträglicher seien als die großen Wehen bei der Austreibung. Sie hatte es schon erlebt, daß dieses erste Stadium beim ersten Kind zwei Tage gedauert hätte. Was sie befürchtete, war das Platzen der Fruchtblase vor der Ankunft des Arztes; denn der Eingriff, den er wahrscheinlich vornehmen müßte, würde dann gefährlich sein.
    »Ich halt es nicht mehr aus«, wiederholte Louise keuchend. »Ich halt es nicht mehr aus ... Ich sterbe ...«
    Frau Bouland hatte sich entschlossen, ihr zwanzig Tropfen Opiumtinktur in einem halben Glas Wasser zu geben. Dann hatte sie es mit Einreibungen der Lenden versucht. Die arme Frau, deren Kräfte schwanden, gab nun weiter nach: Sie verlangte nicht mehr, daß ihre Cousine und das Hausmädchen hinausgingen, sie verbarg ihre Nacktheit nur noch unter ihrem übereinandergeschlagenen Morgenrock, deren Vorderbahn sie in ihren verkrampften Händen hielt. Doch die durch die Einreibung herbeigeführte kurze Atempause dauerte nicht an; und schreckliche Krämpfe traten auf.
    »Warten wir«, sagte unerschütterlich Frau Bouland. »Ich kann absolut nichts dagegen tun. Man muß die Natur machen lassen.«
    Und sie begann sogar ein Gespräch über das Chloroform, gegen das sie die Abneigung der alten Schule hatte. Wenn man sie hörte, starben die Wöchnerinnen wie die Fliegen unter den Händen der Ärzte, die dieses Mittel anwendeten. Der Schmerz sei notwendig, niemals sei eine eingeschläferte Frau zu so guter Arbeit fähig wie eine wache.
    Pauline hatte das Gegenteil gelesen. Sie antwortete nicht,

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