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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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vielleicht Glück.«
    Er hatte den kleinen Körper wieder gefaßt, er beeilte sich, die Schultern frei zu bekommen, er brachte die Arme einen nach dem anderen heraus, damit der Umfang des Kopfes dadurch nicht vergrößert würde. Aber die krampfhaften Zuckungen der Gebärenden behinderten ihn, er hielt jedesmal inne, aus Furcht, er könnte dem Kind Schaden tun. Mochten die beiden Frauen Louise auch mit all ihrer Kraft auf dem Schmerzenslager festhalten, sie schüttelte sie, bäumte sich mit einem unbezwinglichen Versteifen des Nackens auf. Beim Umsichschlagen hatte sie das Holz des Bettes gepackt, und man vermochte sie nicht zu bewegen, es wieder loszulassen; sie stemmte sich dagegen, streckte heftig die Beine aus, in der fixen Idee, diese Leute abzuschütteln, die sie peinigten. Ein wahrer Wutanfall hatte sie gepackt, sie stieß entsetzliche Schreie aus, in dem Gefühl, daß man sie umbringe, indem man sie von den Lenden bis zum Bauch vierteilte.
    »Es ist nur noch der Kopf«, sagte der Doktor, dessen Stimme zitterte. »Ich wage nicht, ihn zu berühren bei diesen ständigen Stößen ... Da die Wehen wieder eingesetzt haben, wird sie sich zweifellos selber befreien. Warten wir ein wenig.«
    Er mußte sich setzen. Frau Bouland wachte, ohne die Mutter loszulassen, über das Kind, das zwischen den blutigen Schenkeln lag, noch am Hals zurückgehalten und gleichsam abgewürgt. Seine kleinen Glieder bewegten sich schwach, dann hörten die Bewegungen auf. Man mußte erneut Befürchtungen hegen, der Arzt kam auf den Gedanken, die Wehen anzuregen, um den Vorgang zu beschleunigen. Er erhob sich, führte heftige Druckbewegungen auf den Bauch der Gebärenden aus. Und es folgten entsetzliche Minuten, die Unglückliche schrie immer lauter, je weiter der Kopf herauskam und das Fleisch zurückstieß, das sich zu einem breiten weißlichen Ring rundete. Darunter, zwischen den beiden auseinandergezogenen, klaffenden Höhlungen wölbte sich die zarte Haut entsetzlich, so dünn geworden, daß man einen Riß fürchtete. Kot spritzte hervor, das Kind fiel in einer letzten Anstrengung unter einem Regen von Blut und schmutzigem Wasser heraus.
    »Endlich!« sagte Cazenove. »Der kann sich rühmen, nicht gerade fröhlich auf die Welt gekommen zu sein.«
    Die Erregung war so groß, daß sich niemand um das Geschlecht gekümmert hatte.
    »Es ist ein Junge, Herr Lazare«, verkündete Frau Bouland dem Gatten.
    Lazare hatte den Kopf zur Wand gekehrt und brach in Schluchzen aus. Er fühlte eine grenzenlose Verzweiflung und hatte den Gedanken, daß sie besser alle gestorben wären, als nach solchen Leiden noch weiterzuleben. Dieses Wesen, das da geboren worden war, betrübte ihn zu Tode.
    Pauline hatte sich zu Louise hinuntergebeugt, um ihr noch einen Kuß auf die Stirn zu drücken.
    »Komm, gib ihr einen Kuß«, sagte sie zu ihrem Cousin.
    Er trat näher, beugte sich nun auch hinab. Aber er wurde wieder von einem Schauder gepackt bei der Berührung dieses von kaltem Schweiß bedeckten Gesichts. Seine Frau atmete nicht und lag mit geschlossenen Augen da. Am Fußende des Bettes stehend, brach er erneut in ersticktes Schluchzen aus, den Kopf an die Wand gelehnt.
    »Ich glaube, es ist tot«, murmelte der Doktor. »Binden Sie schnell die Nabelschnur ab.«
    Das Kind hatte bei seiner Geburt nicht jenes durchdringende, von dumpfem Gurgeln begleitete Wimmern von sich gegeben, das den Eintritt der Luft in die Lungen verkündet. Es war von einem schwarzen, stellenweise fahlen Blau, klein für seine acht Monate, mit einem Kopf von übertriebener Größe.
    Frau Bouland durchschnitt die Nabelschnur und band sie mit flinken Händen ab, nachdem sie eine kleine Menge Blut hatte herausfließen lassen. Das Kind atmete noch immer nicht, die Herzschläge waren nicht zu spüren.
    »Es ist vorbei«, erklärte Cazenove. »Vielleicht könnte man es mit Einreibungen und Beatmung versuchen; aber ich glaube, man würde nur seine Zeit verlieren ... Und außerdem ist da die Mutter, an die ich denken muß.«
    Pauline hörte zu.
    »Geben Sie es mir«, sagte sie. »Ich werde schon sehen ... Wenn es nicht atmet, werde ich selbst keinen Atem mehr haben.«
    Und sie nahm das Kind mit ins Nebenzimmer, nachdem sie die Branntweinflasche und einige Leinentücher ergriffen hatte.
    Erneute Leibschmerzen, sehr viel schwächer diesmal, rissen Louise aus ihrer Ermattung. Es waren die Nachgeburtswehen. Nach der Ausstoßung der Nachgeburt, die der Doktor beschleunigte, indem er an der Nabelschnur

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