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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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des Kindes, während die andere Hand sich noch fester auf den Unterleib legte und so der Arbeit im Innern des Mutterleibes nachhalf. Aber man sah nichts von dieser Arbeit, man sah nur den im Körper verschwundenen Arm.
    »Frau Louise ist sehr fügsam«, bemerkte Frau Bouland. »Manchmal braucht man Männer, um sie zu halten.«
    Pauline drückte mütterlich den bejammernswerten Schenkel an sich, den sie vor Angst zittern fühlte.
    »Mein Liebes, hab Mut«, murmelte sie.
    Es herrschte Schweigen. Louise hätte nicht zu sagen vermocht, was man mit ihr anstellte, sie empfand nur eine wachsende Angst, ein Gefühl des Losreißens. Pauline erkannte das schlanke Mädchen mit den feinen Zügen und dem zarten Liebreiz nicht wieder in dem quer über dem Bett liegenden und sich windenden Geschöpf mit dem schmerzverzerrten Gesicht. Zwischen den Fingern des Arztes war Schleim hindurchgeronnen und hatte den goldenen Flaum beschmutzt, der die weiße Haut beschattete. Einige Tropfen schwarzen Blutes liefen in einer Falte des Fleisches entlang und fielen auf das Leinentuch, mit dem man die Matratze bedeckt hatte.
    Louise sank in eine neue Ohnmacht. Sie schien tot, und die Arbeit ihrer Muskeln setzte fast gänzlich aus.
    »Das ist mir lieber so«, sagte der Arzt, den Frau Bouland darauf aufmerksam machte. »Sie zerquetschte mir fast die Hand, beinahe hätte ich sie zurückziehen müssen, so unerträglich wurde der Schmerz ... Ach, ich bin nicht mehr jung! Sonst wäre es schon beendet.«
    Seit einer Weile hielt seine linke Hand die Füße, holte sie sanft heran, um die Wendungsbewegung auszuführen. Eine Stockung trat ein, er mußte mit seiner rechten Hand den Unterleib pressen. Die Linke kam ohne Erschütterungen wieder heraus, erst das Handgelenk, dann die Finger. Und endlich erschienen die Füße des Kindes. Alle empfanden Erleichterung, Cazenove stieß einen Seufzer aus, seine Stirn war schweißbedeckt, er war außer Atem geraten wie nach einer heftigen Leibesübung.
    »Das wäre geschafft, ich glaube, es ist alles gut gegangen, das kleine Herz schlägt noch ... aber wir haben ihn noch nicht, den Burschen!«
    Er hatte sich wieder erhoben und heuchelte ein Lachen. Lebhaft verlangte er von Véronique warme Leinentücher. Während er dann seine Hand wusch, die beschmutzt und blutig war wie die Hand eines Schlächters, wollte er den Mut des auf dem Stuhl in sich zusammengesunkenen Ehemannes wieder aufrichten.
    »Es ist gleich vorbei, mein Lieber. Ein wenig Hoffnung, zum Teufel!«
    Lazare rührte sich nicht. Frau Bouland, die Louise aus ihrer Ohnmacht wieder zu sich brachte, indem sie ihr ein Fläschchen Äther zu riechen gab, war vor allem beunruhigt, daß die Wehen aufgehört hatten. Sie sprach darüber leise mit dem Doktor, der ganz laut entgegnete:
    »Ich war darauf gefaßt. Ich muß ihr helfen.«
    Und er wandte sich an die Gebärende:
    »Halten Sie sich nicht zurück, nutzen Sie Ihre Wehen. Wenn Sie mich ein wenig unterstützen, werden Sie sehen, wie gut alles geht.«
    Aber sie machte eine Gebärde, um anzudeuten, daß sie keine Kraft mehr habe. Kaum hörbar stammelte sie:
    »Ich fühle nicht einen einzigen Teil meines Körpers mehr.«
    »Arme Kleine«, sagte Pauline und küßte sie. »Du bist am Ende deiner Qualen, laß nur!«
    Schon hatte sich der Doktor wieder hingekniet. Die beiden Frauen hielten von neuem die Schenkel, während Véronique ihm warme Leinentücher zureichte. Er hatte die kleinen Füße eingewickelt, er zog langsam und behutsam, aber beständig; und seine Finger glitten in dem Maße höher, wie das Kind aus dem Mutterleib herauskam, er faßte es an den Knöcheln, dann an den Waden, an den Knien, an jedem neuen Körperteil, der sich zeigte. Als die Hüften erschienen, vermied er jeden Druck auf den Bauch, umspannte die Lenden und drückte mit beiden Händen auf die Leisten. Das Kleine glitt immer mehr heraus, die Wulst rosigen Fleisches in einer wachsenden Spannung erweiternd. Aber die bis dahin fügsame Mutter wehrte sich plötzlich, als sie wieder von den Wehen gepackt wurde. Das war nicht mehr nur der Geburtsvorgang, ihr ganzer Körper wurde erschüttert, es schien ihr, als spaltete man sie mit einem schweren Beil, wie in den Schlächtereien die Ochsen zerteilt werden. Sie lehnte sich so heftig auf, daß sie ihrer Cousine entglitt und das Kind dem Doktor aus den Händen rutschte.
    »Vorsicht!« rief er. »Hindern Sie sie doch, sich zu bewegen! Wenn die Nabelschnur nicht abgeklemmt worden ist, haben wir

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