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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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einem wütenden Quietschen des Riegels plötzlich wieder öffnete. Louise war nicht zu sehen, sie rief nur mit schroffer Stimme durch das halbgeöffnete Fenster:
    »Komm herauf, Lazare!«
    Lazare machte eine empörte Bewegung und wollte einer in solchem Tone hingeschleuderten Aufforderung nicht nachkommen. Aber Pauline richtete eine stumme Bitte an ihn, weil sie den Auftritt vor den Gästen vermeiden wollte; und er ging hinauf, während sie noch einen Augenblick auf der Terrasse blieb, um den schlechten Eindruck zu verwischen. Schweigen war eingetreten, man betrachtete verlegen das Meer. Die tiefstehende Sonne breitete jetzt ein goldenes Tuch darüber, das die kleinen blauen Wellen mit flüchtigen Flammen aufleuchten ließ. In der Ferne spielte der Horizont ins zarte Violett hinüber. Ein schöner Tag ging in erhabenem Frieden zu Ende und entrollte die Unendlichkeit des wolkenlosen Himmels und des Wassers ohne Segel.
    »Na ja«, wagte Pauline lächelnd zu sagen, »da er über Nacht nicht nach Hause gekommen ist, muß man ihn schon ein wenig schelten!«
    Der Doktor schaute sie an, und er hatte nun auch ein Lächeln, in dem sie seinen Scharfblick von damals wiederfand, als er ihr vorausgesagt hatte, daß sie den beiden kein schönes Geschenk machte, wenn sie sie miteinander verheiratete. Und so ging sie schließlich zur Küche.
    »Nun, ich lasse Sie jetzt allein, suchen Sie sich eine Beschäftigung ... Und du, Onkel, ruf mich, wenn Paul aufwachen sollte.«
    Ab sie in der Küche das Ragout umgerührt und den Bratspieß vorbereitet hatte, polterte sie voller Ungeduld mit den Kochtöpfen. Die Stimmen von Louise und Lazare drangen durch die Decke zu ihr, wurden immer lauter, und sie war verzweifelt bei dem Gedanken, daß man sie von der Terrasse aus hören mußte. Wahrhaftig, es war wenig vernünftig, so zu schreien, als wäre man taub, und aller Welt seine Uneinigkeit zu offenbaren. Sie wollte jedoch nicht hinaufgehen: Einmal hatte sie das Abendessen zu machen, und zum anderen empfand sie ein Unbehagen bei dem Gedanken, sich so zwischen die beiden zu stellen, sogar in ihrem Schlafzimmer. Gewöhnlich versöhnte sie sie unten in den Stunden des gemeinsamen Lebens. Einen Augenblick ging sie ins Eßzimmer hinüber, wo sie sich geräuschvoll mit dem Tischdecken zu schaffen machte. Aber die Stimmen tönten weiter, sie konnte nicht länger den Gedanken ertragen, daß sie sich unglücklich machten; und sie ging hinauf, getrieben von jener tätigen Barmherzigkeit, die aus dem Glück der anderen ihr eigenes Leben machte.
    »Meine lieben Kinder«, sagte sie, als sie unvermittelt in das Zimmer eindrang, »ihr werdet sagen, daß mich das nichts angeht, aber ihr schreit allzu laut ... Es hat keinen Sinn, sich so aufzuregen und das Haus durcheinanderzubringen.«
    Sie war durch das Zimmer gegangen und schloß rasch das Fenster, das Louise halb offengelassen hatte. Glücklicherweise waren weder der Doktor noch der Pfarrer auf der Terrasse geblieben. Mit einem hastigen Blick hatte sie dort nur den sinnenden Chanteau neben dem schlafenden kleinen Paul entdeckt.
    »Man hörte euch von unten, als wäret ihr im Eßzimmer gewesen«, begann sie wieder. »Was gibt es denn schon wieder?«
    Aber sie waren in Fahrt, sie setzten den Streit fort und schienen Paulines Eintreten nicht einmal bemerkt zu haben. Pauline jedoch stand reglos da, wieder von ihrem Unbehagen ergriffen, in diesem Zimmer, wo die Eheleute schliefen. Der grünberankte gelbe Kretonne, die rote Brücke, die alten Mahagonimöbel hatten Wandbespannungen aus dichtem Wollstoff und der Zimmereinrichtung einer anspruchsvollen Frau Platz gemacht; nichts mehr war von der toten Mutter geblieben, ein Heliotropduft kam vom Waschtisch her, auf dem feuchte Handtücher herumlagen; und dieser Geruch benahm Pauline ein wenig den Atem, sie blickte sich unwillkürlich in dem Zimmer um, in dem jeder Gegenstand die intime Gemeinsamkeit der Eheleute verriet. Wenn sie auch schließlich eingewilligt hatte, bei ihnen zu leben im täglichen Zerriebenwerden durch ihre innere Auflehnung, wenn sie nunmehr des Nachts schlafen konnte, während sie die beiden dort wußte, vielleicht einer in den Armen des anderen, so war sie doch noch nicht zu ihnen hineingegangen, in ihren intimen ehelichen Bereich, in diese Unordnung der überall herumliegenden Kleidungsstücke und des schon für den Abend bereiteten Bettes. Ein Schauer stieg wieder in ihr auf, der Schauer ihrer früheren Eifersucht.
    »Wie könnt ihr euch so

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