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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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verzehrt, die ihn quälte. Zweifellos wollte er gerade den Grund für seine Verspätung angeben, als das halb offengebliebene Fenster im ersten Stockwerk wütend zugeschlagen wurde.
    »Louise ist noch nicht fertig«, erklärte Pauline. »Sie wird gleich herunterkommen.«
    Alle sahen sich an und wurden verlegen, dieses gereizte Fensterzuschlagen kündete einen Streit an. Nachdem Lazare einen Schritt zur Treppe hin getan hatte, zog er es vor, zu warten. Er küßte seinen Vater und den kleinen Paul; um seine Unruhe zu verbergen, wandte er sich dann vorwurfsvoll an seine Cousine und murmelte mit verdrießlicher Stimme:
    »Befreie uns rasch von diesem Ungeziefer. Du weißt, daß ich es nicht in meiner Nähe haben möchte.«
    Er sprach von den drei Mädchen, die auf der Bank zurückgeblieben waren. Pauline schnürte eilig das Bündel der kleinen Gonin.
    »Geht jetzt«, sagte sie. »Ihr beiden, ihr werdet eure Kumpanin zurückbringen, damit sie nicht noch einmal hinfällt ... Und du sei schön vernünftig mit deinem Baby. Paß auf, daß du es unterwegs nicht vergißt.«
    Als sie endlich gingen, wollte Lazare den Korb der kleinen Tourmal untersuchen. Sie hatte schon einmal eine alte, in die Ecke geworfene Kaffeekanne gestohlen und darin versteckt. Man drängte sie alle drei hinaus, die Betrunkene stolperte zwischen den beiden anderen davon.
    »So ein Volk!« rief der Pfarrer aus, während er sich neben Chanteau setzte. »Gott läßt sie offensichtlich im Stich. Von ihrer Ersten Kommunion an bringen diese Gören da Kinder zur Welt, trinken und stehlen wie Vater und Mutter ... Ach, ich habe ihnen das Unglück vorausgesagt, das über sie kommen würde!«
    »Sagen Sie mal, mein Lieber«, fragte der Arzt spöttisch Lazare, »werden Sie die famosen Buhnen wieder aufbauen?«
    Aber Lazare machte eine unwillige Gebärde. Die Anspielungen auf seine verlorene Schlacht gegen das Meer erbitterten ihn. Er rief:
    »Ich? Ich würde die Flut zu uns hereinlassen, ohne auch nur einen Besenstiel über den Weg zu legen, um sie aufzuhalten ... O nein, ich bin viel zu dumm gewesen, man macht nicht zweimal solche Dummheiten! Wenn ich mir vorstelle, daß diese Elenden an dem Unglückstag getanzt haben! ... Und wissen Sie, was ich vermute? Sie müssen meine Balken am Abend vor der Hochflut angesägt haben, denn sie sind unmöglich ganz von allein zusammengekracht.«
    Er rettete so seine Eigenliebe als Konstrukteur. Dann zeigte er mit dem Arm nach Bonneville und fügte hinzu:
    »Sollen sie verrecken! Dann werde ich tanzen!«
    »Mach dich doch nicht so schlecht«, sagte Pauline in ihrer ruhigen Art. »Nur die Armen haben das Recht, böse zu sein ... Du wirst die Buhnen trotzdem wieder aufbauen.«
    Schon hatte er sich beruhigt, wie erschöpft durch diesen letzten leidenschaftlichen Ausbruch.
    »O nein!« murmelte er. »Das würde mich langweilen – Aber du hast recht, es lohnt nicht, daß man in Zorn gerät. Was geht es mich an, ob sie ersaufen oder nicht?«
    Von neuem herrschte Schweigen. Chanteau war wieder in seine schmerzerfüllte Unbeweglichkeit gesunken, nachdem er den Kopf gehoben, um den Kuß seines Sohnes zu empfangen. Der Pfarrer drehte die Daumen, der Doktor schritt, die Hände auf dem Rücken, auf und ab. Alle betrachteten jetzt den schlafenden kleinen Paul, den Pauline sogar gegen die Liebkosungen seines Vaters verteidigte, da sie nicht wollte, daß man ihn aufwecke. Seit der Ankunft der Männer bat sie darum, daß sie leise sprächen und nicht so laut um die Decke herumtrampelten; und Loulou, der immer noch knurrte, weil er gehört hatte, daß man das Pferd in den Stall brachte, drohte sie schließlich mit der Peitsche.
    »Du glaubst doch nicht, daß er still ist!« begann Lazare wieder. »Er liegt uns noch eine Stunde lang in den Ohren ... Niemals habe ich einen so unangenehmen Hund erlebt. Man stört ihn schon, wenn man sich nur rührt, man weiß nicht einmal, ob es wirklich der eigene Hund ist, so sehr lebt er für sich. Das dreckige Biest taugt nur dazu, daß wir den Verlust unseres armen Mathieu bedauern.«
    »Wie alt ist eigentlich Minouche?« fragte Cazenove. »Ich habe sie schon immer hier gesehen.«
    »Sie ist über sechzehn Jahre alt«, erwiderte Pauline. »Und es geht ihr noch sehr gut.«
    Minouche, die sich auf dem Fensterbrett des Eßzimmers putzte, hatte aufgeblickt, als der Doktor ihren Namen aussprach. Sie blieb einen Augenblick mit erhobener Pfote sitzen, den Bauch wie aufgeknöpft in der Sonne; dann machte sie sich

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