Die Freude am Leben
in die Kirche setzte. Frau Chanteau übrigens tat das Nötige, indem sie regelmäßig zur Messe ging und auch Pauline mitnahm. Die große Einfachheit des Pfarrers nahm nach und nach das Kind gefangen. In Paris hatte man in ihrer Gegenwart mit Verachtung von den Priestern gesprochen, von diesen Heuchlern, deren schwarze Gewänder alle Verbrechen verbargen. Aber dieser Priester hier am Meeresstrand schien ihr wirklich ein wackerer Mann, mit seinen groben Schuhen, seinem sonnenverbrannten Nacken, dem Benehmen und der Sprache eines armen Bauern. Eine Beobachtung hatte sie vor allem für ihn eingenommen: Abbé Horteur rauchte leidenschaftlich gern eine große Meerschaumpfeife, wobei er indessen noch immer Gewissensbisse hatte und sich ganz hinten in seinen Garten flüchtete, wo er allein war mit seinen Salatköpfen; und diese Pfeife, die er voller Verwirrung verbarg, wenn man ihn überraschte, rührte die Kleine sehr, ohne daß sie hätte sagen können, warum. Sie ging mit sehr ernster Miene zur Erstkommunion, zusammen mit zwei anderen kleinen Mädchen und einem Schlingel aus dem Dorf. Als der Pfarrer abends bei Chanteaus speiste, erklärte er, er habe in Bonneville niemals eine Kommunikantin gehabt, die in so guter Haltung an den Tisch des Herrn getreten sei.
Das Jahr war weniger gut, die von Davoine seit langem erwartete Hausse9 in Tannenholz trat nicht ein; und schlechte Nachrichten kamen aus Caen: Es wurde behauptet, da er gezwungen sei, mit Verlust zu verkaufen, steuere er unvermeidlich auf eine Katastrophe zu. Die Familie lebte dürftig, die dreitausend Francs Jahreszinsen reichten gerade eben für die notwendigsten Bedürfnisse des Hauses, wenn man auch von den bescheidensten Einkäufen noch etwas abzwackte.
Frau Chanteaus große Sorge war Lazare, von dem sie Briefe bekam, die sie für sich behielt. Er schien leichtsinnig zu werden, er verfolgte sie mit ständigen Geldforderungen. Als sie im Juli in Caen war, um Paulines Zinsen in Empfang zu nehmen, tauchte sie unvermutet bei Davoine auf; zweitausend Francs, die dieser schon herausgerückt hatte, waren in die Hände des jungen Mannes übergegangen; und es gelang ihr, Davoine noch einmal tausend Francs zu entreißen, die sie sogleich nach Paris schickte. Lazare schrieb ihr, er könne nicht kommen, wenn er nicht seine Schulden bezahlte.
Eine Woche lang wartete man auf ihn. Jeden Morgen kam ein Brief, in dem er seine Abreise auf den folgenden Tag verschob. Seine Mutter und Pauline gingen ihm bis Verchemont entgegen. Man umarmte sich auf der Landstraße, man ging durch den Staub nach Hause, gefolgt vom leeren Wagen mit dem Koffer. Doch diese gemeinsame Rückkehr war weniger fröhlich als die triumphale Überraschung im Vorjahr. Er war bei seinem Juliexamen durchgefallen, er war erbittert gegen die Professoren, den ganzen Abend schimpfte er auf sie, sie seien Esel, von denen er langsam die Nase voll habe. Am Tage drauf warf er in Paulines Gegenwart seine Bücher auf ein Brett des Schrankes, wobei er erklärte, dort könnten sie seinetwegen verfaulen. Dieser so unvermittelte Widerwille versetzte sie in Bestürzung, sie hörte ihm zu, wie er grimmig über die Medizin herzog, die, wie er wettete, nicht einmal einen Schnupfen zu heilen vermöchte; und als sie eines Tages mit jugendlichem, gläubigem Schwung die Wissenschaft verteidigte, wurde sie ganz rot, so sehr verlachte er ihre Begeisterung einer Unwissenden. Im übrigen ergab er sich dennoch darein, Arzt zu werden; ob nun dieser Schwindel oder ein anderer; zu lachen hatte man im Grunde nirgends was. Sie war entrüstet über diese neuen Gedanken, die er mitbrachte. Wo hatte er das her? Sicherlich aus den schlechten Büchern; aber sie wagte nicht mehr, sich zu äußern, weil sie gehemmt war durch ihre völlige Unwissenheit und sich unbehaglich fühlte bei dem höhnischen Grinsen ihres Cousins, der so tat, als könne er ihr nicht alles sagen. Die Ferien vergingen auf diese Weise unter fortwährenden Sticheleien. Bei ihren Spaziergängen schien er sich jetzt zu langweilen, fand das Meer albern und immer gleich; allerdings hatte er begonnen, Verse zu machen, um die Zeit totzuschlagen, und er schrieb über das Meer sorgfältig ausgefeilte Sonette mit volltönenden Reimen. Er weigerte sich zu baden, er hatte entdeckt, daß kalte Bäder bei seiner Konstitution schädlich für ihn waren; denn obgleich er nichts von der Medizin hielt, äußerte er selber entschiedene Meinungen, verdammte oder rettete er die Leute mit einem
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