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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Anstrengung, die sie dies gekostet, schwammen ihre Augen in Tränen; und sie lächelte, war beschämt, daß sie zunächst gezögert hatte, und wurde noch von einem Bedauern gequält, über das sie todunglücklich war. Im übrigen mußte sie gegen ihre Verwandten ankämpfen, die starrköpfig die schlechten Seiten des Unternehmens voraussahen. Bei dieser Gelegenheit zeigten sie sich von vollkommener Redlichkeit.
    »Nun komm und gib mir einen Kuß«, sagte schließlich die Tante, die die Tränen übermannten. »Du bist ein gutes kleines Mädchen ... Lazare wird dein Geld nehmen, weil du sonst böse wirst.«
    »Und mir gibst du keinen Kuß?« fragte der Onkel.
    Man weinte, man küßte einander rings um den Tisch. Während Véronique den Tee auftrug und Pauline nach Mathieu rief, der draußen auf dem Hof bellte, wischte sich Frau Chanteau die Augen und fügte hinzu:
    »Das ist ein großer Trost, sie hat das Herz auf dem rechten Fleck.«
    »Weiß der Himmel!« brummte das Hausmädchen. »Damit die andere nichts gibt, würde sie ihr Hemd hergeben.«
    Acht Tage später, an einem Sonnabend, kehrte Lazare nach Bonneville zurück. Doktor Cazenove, der zum Abendessen eingeladen war, sollte den jungen Mann in seinem Wagen mitbringen. Abbé Horteur, der zuerst gekommen war und auch mit zu Abend aß, spielte Dame mit Chanteau, der auf dem Wege der Besserung war und wie üblich in seinem Sessel saß. Der Anfall hielt ihn seit drei Monaten gepackt, nie zuvor hatte er so sehr gelitten; und jetzt war es das Paradies trotz des fürchterlichen Juckens, das ihm die Füße zerfraß; die Haut schälte sich, das Ödem war fast verschwunden. Da Véronique Tauben briet, hob er jedesmal die Nase, wenn die Küchentür aufging, wieder von seiner unverbesserlichen Leckerhaftigkeit befallen, was ihm die weisen Ermahnungen des Pfarrers eintrug.
    »Sie sind mit den Gedanken nicht beim Spiel, Herr Chanteau ... Glauben Sie mir, Sie sollten sich heute abend bei Tisch mäßigen. Das üppige Essen ist nicht gut bei Ihrer Verfassung.«
    Louise war am Abend zuvor gekommen. Als Pauline den Wagen des Doktors hörte, stürzten beide auf den Hof. Aber Lazare schien nur seine Cousine zu sehen, er war verblüfft.
    »Wie, das ist Pauline?«
    »Aber ja doch, das bin ich!«
    »Ach, mein Gott! Was hast du nur gegessen, um dich so herauszumachen? – Du bist ja schon heiratsfähig.«
    Sie errötete und lachte vor Freude, und ihre Augen glänzten vor Wonne, als sie sah, daß er sie so prüfend betrachtete. Bei seiner Abreise hatte er einen Wildfang zurückgelassen, eine Schülerin im Leinenkittel, und er stand jetzt vor einem großen jungen Mädchen, dessen Brust und Hüften kokett von einem weißen, rosageblümten Frühlingskleid eng umschlossen wurden. Sie wurde jedoch wieder ernst, sie sah nun ihn an und fand ihn gealtert: Er ging gebeugt, sein Lachen war nicht mehr jung, ein leichtes nervöses Zucken lief über sein Gesicht.
    »Nun«, fuhr er fort, »man wird dich ernst nehmen müssen ... Guten Tag, meine Teilhaberin.«
    Pauline errötete noch mehr, dieses Wort machte sie überglücklich. Mochte ihr Cousin nun ruhig Louise umarmen, nachdem er sie umarmt hatte: Sie war nicht eifersüchtig.
    Das Abendessen verlief reizend. Durch die Drohungen des Doktors in Schrecken versetzt, aß Chanteau mit Maßen. Frau Chanteau und der Pfarrer machten großartige Pläne für die Vergrößerung Bonnevilles, wenn die Gegend durch die Spekulation mit den Algen erst einmal zu Reichtum gekommen war. Man ging erst um elf Uhr zu Bett. Als Lazare und Pauline sich oben vor ihren Zimmern trennten, fragte der junge Mann in scherzendem Ton:
    »Nun, sagt man sich nicht mehr gute Nacht, weil man groß geworden ist?«
    »Aber ja!« rief sie, fiel ihm um den Hals und küßte ihn herzhaft mit ihrem kleinmädchenhaften Ungestüm von einst.
     

Kapitel III
    Zwei Tage später legte eine starke Ebbe die tiefliegenden Felsen bloß. Bei der leidenschaftlichen Begeisterung, die Lazare zu Beginn jeder neuen Unternehmung fortriß, wollte er nicht länger warten, er zog mit nackten Beinen los, einfach eine Leinenjacke über seinen Badeanzug geworfen; und Pauline ging mit auf Erkundung, auch sie im Badeanzug, mit derben Schuhen an den Füßen, die sie sonst nur zum Krabbenfischen anzog.
    Als sie einen Kilometer von der Felsenküste entfernt waren, mitten in dem noch von der zurückgehenden Flut rieselnden Algenfeld, brach die Begeisterung des jungen Mannes hervor, als entdecke er jetzt erst diese ungeheure

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