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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Ihre abgöttische Liebe zu ihrem Sohn stürzte sich auf einen neuen Traum: Sie sah ihn schon sehr reich, als Besitzer eines Hauses in Caen, als Mitglied des Generalrats12, der Abgeordnetenkammer vielleicht. Chanteau hatte keine Meinung, er begnügte sich damit, zu leiden, und überließ seiner Frau die höhere Sorge für die Interessen der Familie. Was Pauline betraf, so war sie trotz ihrer Verwunderung und ihrer stummen Mißbilligung des ständigen Wechsels der Zukunftspläne ihres Cousins der Ansicht, man solle ihn zurückkommen und den Versuch mit seinem großen Geschäft unternehmen lassen.
    »Wenigstens leben wir dann alle zusammen«, sagte sie.
    »Und außerdem, was wird Herr Lazare in Paris schon Vernünftiges tun!« erlaubte sich Véronique hinzuzufügen. »Es ist besser, er kuriert sich ein bißchen bei uns seinen Magen.«
    Frau Chanteau nickte zustimmend. Sie nahm wieder den Brief, den sie am Morgen erhalten hatte.
    »Wartet, er erörtert die finanzielle Seite des Unternehmens.«
    Jetzt las sie vor und machte dazu ihre Bemerkungen. Man brauchte etwa sechzigtausend Francs, um die kleine Fabrik einzurichten. Lazare hatte in Paris einen seiner ehemaligen Schulkameraden aus Caen wiedergetroffen, den dicken Boutigny, der die Lateinschule in der vierten Klasse verlassen hatte und jetzt mit Wein handelte. Boutigny, der von dem Vorhaben sehr begeistert war, bot dreißigtausend Francs: Er wäre ein ausgezeichneter Teilhaber, ein Verwalter, dessen praktische Fähigkeiten den materiellen Erfolg sichern würden. Blieben noch dreißigtausend Francs zu leihen, denn Lazare wollte die Hälfte des Besitzes in Händen haben.
    »Wie ihr gehört habt«, fuhr Frau Chanteau fort, »bittet er mich darum, mich in seinem Namen an Thibaudier zu wenden. Der Gedanke ist gut, Thibaudier wird ihm das Geld sofort leihen ... Louise ist gerade etwas leidend, ich habe vor, sie für eine Woche zu holen, so daß ich Gelegenheit hätte, mit ihrem Vater zu reden.«
    Paulines Augen trübten sich, ein krampfhaftes Zusammenkneifen machte die Lippen schmaler. Von der anderen Seite des Tisches her sah Véronique, die sich dort aufgepflanzt hatte und gerade eine Teetasse auswischte, Pauline an.
    »Ich hatte wohl an etwas anderes gedacht«, murmelte die Tante. »Aber da man in der Industrie immer ein Risiko eingeht, hatte ich mir sogar vorgenommen, nicht darüber zu sprechen.« Und sich an das junge Mädchen wendend, fuhr sie fort: »Ja, mein Liebling, es sei denn, du selber würdest deinem Cousin die dreißigtausend Francs leihen ... Niemals würdest du dein Geld vorteilhafter anlegen können, es würde dir vielleicht fünfundzwanzig Prozent Zinsen einbringen, denn dein Cousin würde dich am Gewinn beteiligen; und es bricht mir das Herz, den ganzen Reichtum in die Tasche eines anderen fließen zu sehen ... Nur möchte ich nicht, daß du dein Geld aufs Spiel setzt. Das ist ein heiliges, uns anvertrautes Gut, es liegt da oben, und ich werde es dir unangetastet zurückgeben.«
    Noch blasser geworden und einem inneren Kampf ausgeliefert, hörte Pauline zu. In ihr war ein ererbter Geiz, die Liebe Quenus und Lisas zum schweren Geld ihrer Kasse, die ganze Erziehung, die ihr einst in früher Kindheit im Fleischerladen zuteil geworden, die Achtung vor dem Geld, die Angst, daß es einem fehlen könne, ein beschämendes unbekanntes Etwas, eine geheime Filzigkeit, die tief in ihrem guten Herzen erwachte. Außerdem hatte ihre Tante ihr so oft das Schubfach des Sekretärs gezeigt, in dem ihre Erbschaft schlummerte, daß der Gedanke, zusehen zu müssen, wie sie in den fahrigen Händen ihres Cousins dahinschmolz, sie beinahe ärgerte. Und sie schwieg, gepeinigt von der Vorstellung, daß Louise dem jungen Mann einen großen Sack Geld bringen würde.
    »Dir wäre es lieber, wenn ich dies nicht wollte«, sagte Frau Chanteau zu ihrem Mann. »Nicht wahr, mein Freund, das ist eine Gewissensfrage?«
    »Ihr Geld ist ihr Geld«, erwiderte Chanteau, der bei dem Versuch, sein Bein anzuheben, einen Schrei ausstieß. »Wenn die Dinge schlecht ausgehen, würde man über uns herfallen ... Nein, nein! Thibaudier wird sehr gern das Geld leihen.«
    Doch endlich fand Pauline in einem Ausbruch ihrer Herzensgüte die Sprache wieder.
    »Oh! Bereitet mir nicht diesen Kummer, ich, ich muß Lazare das Geld leihen! Ist er nicht mein Bruder? Es wäre zu häßlich, wenn ich es ihm verweigerte. Warum habt ihr mir überhaupt davon gesprochen? Gib ihm das Geld, Tante, gib ihm alles.«
    Bei der

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