Die Freude am Leben
aufrechtzuerhalten: jede Substanz schied sich nach und nach ab, wurde von den anderen isoliert. Lazare verbrannte die Algen in einem Graben und kühlte dann die Aschenlauge mit Hilfe eines Kühlsystems, das auf der schnellen Verdampfung des Ammoniaks beruhte. Aber man mußte dieses Verfahren im großen ausführen, es aus dem Laboratorium in die Fabrik verlegen und die Apparate so gewinnbringend wie möglich arbeiten lassen.
An dem Tag, da Lazare aus den Mutterlaugen bis zu fünf durchaus unterschiedliche Substanzen isoliert hatte, hallte das Zimmer von Triumphgeschrei wider. Es gab vor allem einen überraschenden Anteil von Kaliumbromid. Dieses Modeheilmittel würde sich wie Brot verkaufen. Pauline, jungenhaft fröhlich wie früher, tanzte um den Tisch herum, lief dann plötzlich die Treppe hinab und stürzte ins Eßzimmer, wo ihr Onkel eine Zeitung las, während ihre Tante Servietten zeichnete.
»Ha!« rief sie. »Ihr könnt ruhig krank sein, wir werden euch schon Bromid geben!«
Frau Chanteau, die seit einiger Zeit an nervösen Zuständen litt, war von Doktor Cazenove Bromid verordnet worden. Sie lächelte und sagte:
»Werdet ihr auch genug haben, um alle Welt zu heilen, da ja jetzt alle Welt mit den Nerven zerrüttet ist?«
Das junge Mädchen mit den kräftigen Gliedern, dessen fröhliches Gesicht vor Gesundheit strotzte, breitete weit die Arme aus, als wollte es die Heilung in alle vier Himmelsrichtungen schleudern.
»Ja, ja, wir werden die Welt damit vollstopfen ... Aus ist es mit ihrer schweren Neurose!«
Nachdem Lazare die Küste besichtigt, die Baustellen in Erwägung gezogen hatte, entschied er, daß er seine Fabrik an der Schatzbucht errichten würde. Alle Voraussetzungen waren dort gegeben: ein unendlicher Strand, der gleichsam mit flachen Steinen wie mit Fliesen ausgelegt war, was die Ernte der Algen erleichterte; günstigerer Transport auf der Landstraße von Verchemont, billiges Gelände, Rohstoffe gleich zur Hand, genügend große, doch nicht übermäßige Entfernung. Und Pauline scherzte über den Namen, den sie einst der Bucht wegen ihres feinen goldenen Sandes gegeben: Damals hatten sie nicht geglaubt, es so richtig getroffen zu haben, einen wahren »Schatz« würden sie jetzt im Meer finden. Die Anfänge waren großartig, glücklicher Kauf von zwanzigtausend Meter öden Heidelandes, die Genehmigung des Präfekten, die sie nach einer Verzögerung von nur zwei Monaten erhalten. Schließlich machten sich die Arbeiter an den Bau. Boutigny war angekommen, ein sehr gewöhnlicher, rotgesichtiger kleiner Mann von ungefähr dreißig Jahren, der den Chanteaus sehr mißfiel. Er hatte es abgelehnt, in Bonneville zu wohnen, da er, wie er sagte, in Verchemont ein sehr bequemes Haus entdeckt habe; und die Familie verhielt sich noch kühler zu ihm, als sie erfuhr, daß er dort auch noch eine Frau untergebracht hatte, irgendeine Dirne, die er zweifellos aus einem verrufenen Pariser Haus mitgebracht hatte. Empört über diese provinzlerhaften Ansichten, zuckte Lazare die Achseln; diese Frau, eine Blondine, sei sehr nett und müsse wirklich aufopferungsvoll sein, wenn sie darein willigte, sich in dieser gottverlassenen Gegend zu vergraben; im übrigen ging er, Paulines wegen, nicht weiter darauf ein. Was man von Boutigny erwartete, war eine tatkräftige Beaufsichtigung, eine kluge Organisation der Arbeit. Und darin erwies er sich als fabelhaft, war immer auf den Beinen, ein wirkliches Organisationstalent. Unter seinen Anweisungen wuchsen die Mauern zusehends empor.
Jetzt war vier Monate hindurch, solange die Arbeiten an der Errichtung der Gebäude und an der Montage der Apparate dauerten, die Schatzfabrik, wie man sie schließlich nannte, ein tägliches Ausflugsziel. Frau Chanteau begleitete die Kinder nicht immer, Lazare und Pauline nahmen ihre Streifzüge von früher wieder auf. Nur Mathieu folgte ihnen, er wurde rasch müde, schleppte seine dicken Pfoten dahin und legte sich dort mit hängender Zunge und dem kurzen, keuchenden Atem eines Blasebalgs nieder. Er allein badete auch noch, stürzte sich ins Meer, wenn man einen Stock hineinschleuderte, den er klugerweise gegen die Wellen schnappte, um kein Salzwasser zu schlucken. Bei jeder Besichtigung drängte Lazare die Unternehmer, während Pauline praktische, zuweilen äußerst treffende Überlegungen vorzubringen wagte. Lazare hatte die Apparate nach von ihm gezeichneten Plänen in Caen bestellen müssen, und es waren Arbeiter gekommen, sie zu montieren.
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