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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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gekauft worden war; aber er vervollkommnete diesen Gedanken, er stellte beachtliche Untersuchungen an, studierte die Wirkung der Kräfte, die Widerstandsfähigkeit des Materials, zeigte sich vor allem sehr stolz über eine neue Anordnung und Neigung der Buhnen, die nach seiner Meinung den Erfolg vollkommen sicherstellten.
    Pauline hatte wieder einmal Interesse für diese Studien bekundet. In ihr wie auch in dem jungen Mann wurde durch die Experimente, die sie zur Auseinandersetzung mit dem Unbekannten zwangen, unaufhörlich die Neugier geweckt. Aber da sie von kühlerem Verstande war, täuschte sie sich nicht mehr über die möglichen Mißerfolge. Wenn sie das Meer steigen, die Erde mit seiner Brandung wegfegen sah, richtete sie Blicke des Zweifels auf die Spielzeuge, die Lazare gebaut hatte. Pfahlreihen, Schutzbuhnen, Wellenbrecher in Miniaturausfertigung. Das große Zimmer war jetzt damit überfüllt.
    Eines Nachts stand das junge Mädchen noch sehr spät an seinem Fenster. Seit zwei Tagen sprach Lazare davon, alles zu verbrennen; eines Abends bei Tisch hatte er ausgerufen, er werde nach Australien gehen, da es für ihn in Frankreich keinen Platz gebe. Und sie dachte an diese Dinge, während die Flut, die ihren höchsten Stand erreicht hatte, auf dem Grunde der Finsternis Bonneville umbrandete. Jeder Anprall erschütterte sie, sie glaubte in regelmäßigen Abständen das Heulen der vom Meer verschlungenen Elenden zu vernehmen. Da wurde der Kampf, den die Liebe zum Geld abermals ihrer Güte lieferte, unerträglich. Sie schloß das Fenster, weil sie nicht länger hinhören wollte. Doch die fernen Schläge ließen ihr keine Ruhe in ihrem Bett. Warum nicht das Unmögliche versuchen? Was bedeutete schon das ins Wasser geworfene Geld, wenn sich eine einzige Aussicht bot, das Dorf zu retten? Und sie schlief bei Tagesanbruch ein im Gedanken an die Freude ihres Cousins, der, aus seinem finsteren Trübsinn gerissen, vielleicht endlich auf den richtigen Weg gebracht und durch sie glücklich würde und ihr so alles verdankte.
    Am nächsten Morgen rief sie ihn, bevor sie hinunterging. Sie lachte.
    »Weißt du was? Ich habe geträumt, ich leihe dir deine zwölf tausend Francs!«
    Er wurde ärgerlich, lehnte heftig ab.
    »Willst du denn, daß ich abreise und nicht wieder auftauche? Nein, es ist schon genug mit der Fabrik. Ich sterbe vor Scham darüber, wenn ich es dir auch nicht gesagt habe.«
    Zwei Stunden später nahm er an, drückte er ihr die Hände mit leidenschaftlichem Überschwang. Es sei nur ein Vorschuß; ihr Geld laufe keinerlei Gefahr, denn die Bewilligung der Unterstützung durch den Generalrat stehe außer Zweifel, vor allem angesichts der bereits begonnenen Ausführung. Und schon am Abend wurde der Zimmermann von Arromanches gerufen. Es gab endlose Besprechungen, Spaziergänge längs der Küste, eine erbitterte Auseinandersetzung über die Kostenanschläge. Das ganze Haus verlor darüber den Kopf.
    Frau Chanteau indessen war außer sich geraten, als sie von dem Darlehen von zwölftausend Francs erfuhr. Lazare war erstaunt und begriff nicht. Seine Mutter überschüttete ihn mit sonderbaren Beweisgründen: Gewiß strecke Pauline ihnen von Zeit zu Zeit kleine Beträge vor, doch sie werde sich am Ende noch für unentbehrlich halten, man hätte recht gut Louises Vater um die Eröffnung eines Kredits bitten können. Louise selber, die eine Mitgift von zweihunderttausend Francs habe, mache nicht so viel Gewese mit ihrem Vermögen. Diese Summe von zweihunderttausend Francs kam Frau Chanteau unaufhörlich über die Lippen; und sie schien eine zornige Verachtung gegen die Trümmer des anderen Vermögens zu hegen, jenes Vermögens, das in dem Sekretär dahingeschmolzen war und das in der Kommode weiter dahinschmolz.
    Auf Betreiben seiner Frau tat Chanteau ebenfalls so, als sei er ärgerlich. Pauline empfand darüber schweren Kummer; selbst wenn sie ihr Geld gab, fühlte sie sich weniger geliebt als früher; sie war gleichsam von einem Groll umgeben, dessen Ursache sie sich nicht zu erklären vermochte und der von Tag zu Tag zunahm. Was Doktor Cazenove betraf, so schalt er ebenfalls, wenn sie ihn der Form halber um Rat fragte; aber er war wohl oder übel gezwungen gewesen, zu allen Darlehen, den kleinen wie den großen, ja zu sagen. Seine Aufgabe als Kurator blieb illusorisch, er sah sich entwaffnet in diesem Haus, in dem er als alter Freund empfangen wurde. Am Tage der zwölf tausend Francs lehnte er jede Verantwortung

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