Die Freude am Leben
Fröhlichkeit war dahin, ihre argwöhnischen Blicke bemerkten, daß der Ellbogen ihres Cousins mit einer ständigen Liebkosung Louises Taille streifte. Bald sah sie nur noch diese Berührung, alles andere verschwand, sowohl der Strand, an dem die Fischer aus dem Ort mit spöttischer Miene warteten, als auch das steigende Meer und die schon von Gischt weiße Buhne. Am Horizont wuchs ein düsterer Balken, eine Wetterwolke, die im Sturmgalopp herannahte.
»Teufel!« murmelte der junge Mann und wandte sich um. »Wir werden wieder eine schöne Brühe bekommen ... Aber der Regen wird uns schon Zeit zum Sehen lassen, und wir werden uns gegenüber, bei den Houtelards, in Sicherheit bringen.«
Die Flut, die den Wind gegen sich hatte, stieg mit aufreizender Langsamkeit. Zweifellos würde dieser Wind sie hindern, so stark zu werden, wie sie vorausgesagt worden war. Niemand jedoch verließ den Strand. Die halb vom Wasser überspülte Buhne tat ihre Schuldigkeit, brach die Wogen, die dann, in ihrer Wucht geschwächt, bis zu den Füßen der Zuschauer brodelten. Der Triumph jedoch war der siegreiche Widerstand der Pfähle. Bei jeder Woge, die sie überspülte, hörte man, wie die Meereskiesel, die sie mit sich führte, auf der anderen Seite der Bohlen niederfielen und sich anhäuften, als sei plötzlich eine Fuhre Steine entladen worden; und diese Mauer, die sich von selbst erbaute, das war der Erfolg, die Verwirklichung des versprochenen Schutzdammes.
»Ich hab es ja gesagt!« rief Lazare. »Jetzt könnt ihr euch alle über das Meer lustig machen!«
Neben ihm stand Prouane, der seit drei Tagen nicht nüchtern geworden war, schüttelte den Kopf und stotterte:
»Erst mal sehen, wenn der Wind von See bläst.«
Die anderen Fischer schwiegen. Doch an der Art, wie Cuche und Houtelard den Mund verzogen, war zu erkennen, daß sie nur ein mäßiges Vertrauen zu all diesen Kniffen hatten. Außerdem hätten sie es nicht gern gesehen, daß dieses Meer, das sie zerschmetterte, von diesem schwächlichen Bürgersöhnchen bezwungen wurde. Sie würden schön lachen, wenn es ihm eines Tages seine Balken wie Strohhalme fortschwemmen würde. Mochte ruhig das Dorf dabei draufgehen, es wäre dennoch ein Spaß.
Plötzlich brach der Platzregen los. Schwere Tropfen fielen aus der fahlen Wolke, die drei Viertel des Himmels überzogen hatte.
»Das ist nichts, warten wir noch einen Augenblick«, wiederholte Lazare begeistert. »Seht doch, seht doch, nicht ein Pfahl rührt sich!«
Er hatte seinen Regenschirm über Louises Kopf aufgespannt. Diese drängte sich gleich einer fröstelnden Turteltaube noch enger an ihn. Und Pauline, die die beiden ganz vergessen hatten, schaute sie immerfort an, von finsterer Wut gepackt, und glaubte die Hitze ihrer innigen Umarmung im Gesicht zu spüren. Es goß jetzt in Strömen, Lazare wandte sich plötzlich um.
»Was ist denn?« rief er. »Bist du wahnsinnig? Spann wenigstens deinen Sonnenschirm auf.«
Sie stand da unter dieser Sintflut, die sie nicht zu spüren schien. Sie erwiderte mit heiserer Stimme:
»Laß mich in Ruhe, ich fühle mich sehr wohl.«
»Oh, Lazare, ich bitte Sie«, sagte Louise tief bekümmert, »zwingen Sie sie doch, unter unsern Schirm zu kommen ... Wir haben alle drei Platz.«
Aber in ihrer wilden Halsstarrigkeit geruhte Pauline nicht einmal mehr abzulehnen. Sie fühlte sich wohl, warum störte man sie? Und als er, mit seinen Bitten am Ende, wieder begann: »Das ist doch blödsinnig, laßt uns zu den Houtelards laufen!«, erklärte sie grob: »Lauft, wohin ihr wollt ... Da wir ja hergekommen sind, um uns das anzusehen, will ich mir's auch ansehen.«
Die Fischer waren geflohen. Pauline verharrte unbeweglich unter dem Regenguß, den Bohlen zugewandt, die die Wogen vollständig überspülten. Dieses Schauspiel schien sie gänzlich in Anspruch zu nehmen, trotz des Wasserstaubs, in dem jetzt alles verschwamm, eines grauen Staubes, der, vom Regen durchsiebt, aus dem Meer aufstieg. Ihr triefendes Kleid zeichnete sich an Schultern und Armen in großen dunklen Flecken ab. Und sie war nicht eher dazu zu bewegen, den Platz zu verlassen, als bis der Westwind die Wolke davongeweht hatte.
Alle drei kehrten schweigend heim. Mit keinem Wort wurde von dem Vorkommnis dem Onkel oder der Tante berichtet. Pauline war rasch nach oben gegangen, um die Wäsche zu wechseln, während Lazare vom vollen Erfolg des Versuches berichtete. Am Abend bei Tisch bekam Pauline wieder einen Fieberanfall; aber sie behauptete,
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