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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sein, daß man Ihnen so das Fell über die Ohren zieht!«
    Als Pauline mit der quittierten Rechnung zurückkam, die sie ihrer Tante übergab, triumphierte der Pfarrer laut. Chanteau war geschlagen; er würde bestimmt nicht eine einzige Partie gewinnen. Die Sonne ging unter, die schrägen Strahlen färbten das mit träger Flut steigende Meer purpurn. Und Louise lächelte mit gedankenverlorenem Blick dieser Freude des unermeßlichen Horizontes zu.
    »Louisette ist in die Wolken entschwebt«, sagte Frau Chanteau. »He, Louisette, ich habe deinen Koffer hinaufbringen lassen ... Wir sind also wieder einmal Nachbarn!«
    Lazare kam erst am folgenden Tag zurück. Nach seinem Besuch beim Unterpräfekten in Bayeux hatte er den Entschluß gefaßt, nach Caen zu gehen, um den Präfekten aufzusuchen. Und wenn er auch den Zuschuß nicht in seiner Tasche mitbrachte, so war er überzeugt, wie er sagte, daß der Generalrat wenigstens die Summe von zwölftausend Francs bewilligen würde. Der Präfekt hatte ihn bis zur Tür begleitet und sich durch förmliche Versprechen verpflichtet: Man könne Bonneville nicht so im Stich lassen, die Behörde sei bereit, den Eifer der Einwohner der Gemeinde zu unterstützen. Aber Lazare geriet in Verzweiflung, denn er sah alle möglichen Verzögerungen voraus, und der geringste Aufschub bei der Verwirklichung eines seiner Wünsche wurde für ihn zu einer wahren Folter.
    »Ehrenwort!« rief er. »Wenn ich die zwölf tausend Francs besäße, würde ich sie lieber vorschießen ... Um einen ersten Versuch zu machen, brauchte man nicht einmal diese Summe ... Und ihr werdet sehen, was für Ärger es gibt, wenn sie erst einmal ihren Zuschuß bewilligt haben! Wir werden alle Ingenieure des Departements auf dem Hals haben. Während sie, wenn wir ohne sie begännen, sehr wohl gezwungen wären, sich vor den Ergebnissen zu beugen ... Ich bin meines Vorhabens sicher. Der Präfekt, dem ich es kurz auseinandergesetzt habe, war entzückt, wie billig und einfach es ist.«
    Die Hoffnung, das Meer zu bezwingen, erregte ihn leidenschaftlich. Er hegte noch immer einen Groll gegen das Meer, weil er ihm in der Algenaffäre heimlich die Schuld an seinem Ruin gab. Wenn er es nicht laut zu schmähen wagte, so nährte er doch den Gedanken, sich eines Tages zu rächen. Und gab es eine schönere Rache, als ihm in seiner blinden Zerstörung Einhalt zu gebieten, ihm als Herr und Meister zuzurufen: »Bis hierher und nicht weiter!« Abgesehen von der Großartigkeit des Kampfes war bei diesem Unternehmen auch ein Teil Menschenliebe mit im Spiel, was ihn vollends in Schwärmerei versetzte. Als seine Mutter gesehen hatte, wie er die Nase in Lehrbücher der Mechanik steckte und seine Tage damit vertat, Holzstücke zurechtzuschneiden, hatte sie sich zitternd des Großvaters erinnert, des unternehmenden und wirrköpfigen Zimmermanns, dessen unnützes Meisterwerk unter einem Glaskasten schlief. Sollte der Alte etwa wiedererstehen, um den Untergang der Familie zu vollenden? Dann hatte sie sich von dem angebeteten Sohn überzeugen lassen. Wenn es ihm gelänge, und es würde ihm natürlich gelingen, so wäre dies schließlich der erste Schritt, eine schöne Tat, ein uneigennütziges Werk, das ihn in hellem Licht erscheinen lassen würde; von da aus würde er leicht gelangen, wohin er wollte, so hoch hinaus, wie ihn sein Ehrgeiz triebe. Seit diesem Tage träumte das ganze Haus nur noch davon, das Meer zu demütigen, es am Fuß der Terrasse im Gehorsam eines geprügelten Hundes in Ketten zu legen.
    Lazares Plan war übrigens, wie er sagte, sehr einfach. Er sah dicke Pfähle vor, die in den Sand gerammt und mit Bohlen beschlagen werden mußten und hinter denen das von der Flut angeschwemmte Geröll eine Art unüberwindliche Mauer bilden sollte, an der sich in der Folge die Wogen brechen würden: Dem Meer selber fiele es auf diese Weise zu, die Schanze zu bauen, die ihm Einhalt gebieten würde. Buhnen, lange, auf Rammpfählen befestigte Bohlen, die weit draußen, vor den Geröllmauern, als Wellenbrecher dienten, sollten das System vervollständigen. Man konnte schließlich, wenn man die notwendigen Mittel hatte, zwei oder drei große Pfahlwerke bauen, auf Zimmerwerk errichtete ausgedehnte Balkenlagen, deren dichte Massen den Ansturm der höchsten Springflut brechen würden. Lazare hatte den ersten Gedanken im »Handbuch des vollendeten Zimmermannes« gefunden, einer Schwarte mit naiven Bildtafeln, die zweifellos früher einmal vom Großvater

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