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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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es sei nicht schlimm, trotz der offensichtlichen Qualen, die ihr das Schlucken bei jedem Bissen bereitete. Sie gab schließlich Louise, die sich mit zärtlicher Miene um sie sorgte und sie unaufhörlich nach ihrem Befinden fragte, sogar eine grobe Antwort.
    »Wirklich, sie wird unausstehlich mit ihrem schlechten Charakter«, murmelte Frau Chanteau hinter ihr her. »Man mag sie schon nicht mehr ansprechen.«
    In jener Nacht wurde Lazare gegen ein Uhr von einem so schmerzhaft trockenen hohlen Husten geweckt, daß er sich aufsetzte, um zu horchen. Er dachte zunächst, es sei seine Mutter; dann veranlaßte ihn, als er noch immer lauschte, der jähe Fall eines Körpers, von dem der Fußboden erzitterte, aus dem Bett zu springen und sich eilig anzuziehen. Das konnte nur Pauline sein, der Körper schien hinter der Wand niedergefallen zu sein. Mit seinen fahrigen Fingern zerbrach er die Streichhölzer. Endlich konnte er mit seinem Leuchter aus dem Zimmer gehen, und er fand zu seiner Überraschung die Tür gegenüber offenstehen. Die Schwelle versperrend, auf der Seite ausgestreckt, lag das junge Mädchen im Hemd, mit nackten Armen und Beinen da.
    »Was ist denn?« rief er. »Bist du ausgeglitten?«
    Der Gedanke, daß sie umherschlich, um ihn wieder zu belauern, war ihm durch den Kopf gegangen. Doch sie antwortete nicht, sie regte sich nicht, und er sah sie mit geschlossenen Augen, als sei sie erschlagen worden, daliegen. Zweifellos hatte in dem Augenblick, da sie Hilfe holen wollte, ein plötzlicher Schwindelanfall sie auf die Fliesen niedergestreckt.
    »Pauline, antworte mir, ich flehe dich an ... Wo tut es dir weh?«
    Er hatte sich niedergebeugt, er leuchtete ihr ins Gesicht. Sie war hochrot und schien in heftigem Fieber zu glühen. Das unwillkürliche Gefühl der Verlegenheit, das ihn angesichts dieser jungfräulichen Nacktheit zögern ließ, so daß er es nicht wagte, sie um den Leib zu fassen, um sie auf ihr Bett zu legen, wich sogleich seiner brüderlichen Besorgnis. Er sah ihre Blöße nicht mehr, er faßte sie im Kreuz und an den Schenkeln, ohne sich dieser Frauenhaut auch nur bewußt zu sein, die da seine Männerbrust berührte. Und als er sie wieder ins Bett gelegt hatte, fragte er sie abermals, bevor er noch daran dachte, sie wieder zuzudecken.
    »Mein Gott! So sprich doch ... Hast du dich vielleicht verletzt?«
    Bei der Erschütterung hatte sie die Augen aufgeschlagen. Aber sie sprach noch immer nicht, sie sah ihn starr an; und da er weiter in sie drang, faßte sie sich schließlich mit der Hand an den Hals.
    »Der Hals tut dir weh?«
    Da sagte sie mit veränderter, mühsamer und pfeifender Stimme sehr leise:
    »Zwing mich nicht, zu sprechen, ich bitte dich ... Das tut mir so weh.«
    Und sie bekam sofort einen Hustenanfall, jenen trockenen Husten, den er von seinem Zimmer aus gehört hatte. Ihr Gesicht lief blau an, der Schmerz wurde so stark, daß ihre Augen sich mit schweren Tränen füllten. Sie faßte sich mit beiden Händen an ihren armen hin und her geschüttelten Kopf, in dem gräßliche Kopfschmerzen hämmerten.
    »Das hast du dir heute geholt«, stammelte er außer sich. »Wie konntest du auch so unvernünftig sein, wo du schon vorher krank warst!«
    Doch er hielt inne, als er wieder ihren flehenden Blicken begegnete. Mit tastender Hand suchte sie nach ihren Decken. Er deckte sie bis zum Kinn hoch zu.
    »Willst du den Mund aufmachen, damit ich hineinsehen kann?«
    Sie brachte die Kiefer kaum auseinander. Er hielt die Flamme der Kerze näher, er sah nur mit Mühe den entzündeten, trockenen, stark geröteten Rachen. Es war offensichtlich Angina. Nur dieses schreckliche Fieber, die fürchterlichen Kopfschmerzen versetzten ihn in Schrecken über die Art dieser Angina. Das Gesicht der Kranken brachte ein so qualvolles Gefühl des Erwürgtwerdens zum Ausdruck, daß er wahnsinnige Angst bekam, sie würde vor seinen Augen ersticken. Sie konnte nicht mehr schlucken, jede Schluckbewegung schüttelte ihren ganzen Körper. Ein neuer Hustenanfall ließ sie abermals das Bewußtsein verlieren. Und er geriet vollends aus der Fassung, er rannte und donnerte mit Faustschlägen an die Tür des Hausmädchens.
    »Véronique! Véronique! Steh auf! Pauline stirbt!«
    Als Véronique verstört und halbbekleidet in Paulines Zimmer trat, stand Lazare fluchend und herumfuchtelnd in der Mitte des Raumes.
    »Was für ein erbärmliches Nest! Man kann ja hier glatt wie ein Hund verrecken ... Mehr als zwei Meilen, wenn man Hilfe holen

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