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Die Freundin meines Sohnes

Die Freundin meines Sohnes

Titel: Die Freundin meines Sohnes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Grodstein
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Leben, Joe.«
    »In letzter Zeit überlege ich das«, sagte er. »Die vielen Hirsche, die man neben dem Highway sieht, das bringt einen auf Ideen. Was man machen muss, um zu überleben. Oder wozu man fähig ist. Ich habe eine Menge Sozialkompetenzen, Pete, aber ich glaube, ich muss meine Naturkompetenzen mal ein bisschen auf Vordermann bringen.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Mein totaler Ernst. Ich stelle mir vor, ich sacke Neal und Adam ein, und wir fahren irgendwohin rauf nach Maine, halten unterwegs bei L. L. Beau an und bringen dann einen Hirsch zur Strecke.«
    »Das ist für deine Verhältnisse mal ganz schön heftig, Joe.« Ich begann, das fertige Gemüse aufzuspießen und auf einen Teller zu legen.
    »Wie soll ich das erklären?«, sagte er. »Es geht nur darum, dass ich was mit meinem Körper tun, nur auf mich gestellt sein möchte. Aus eigener Kraft eine Mahlzeit zustande bringen, und mehr noch. Beweisen, dass ich im Wald allein auf mich gestellt überleben könnte.«
    »Im Wald, allein auf dich gestellt – und auf L. L. Bean.«
    »Wahrscheinlich mach ich’s gar nicht.«
    »Nein, nein, es klingt … na ja, es klingt ehrlich gesagt wie eine Midlife-Irgendwas.«
    »Ich weiß.« Er lachte leise. »Die meisten Männer kaufen sich halt eine Corvette. Oder schlafen mit einer Vierundzwanzigjährigen.«
    »Genau so.«
    Iris kam auf die Terrasse.
    »Joe, komm, wir müssen zum Flughafen.« Pauline kam von einer sechswöchigen Reise in der Toskana zurück, wo sie, vor ihrem Studium am MIT, Italienisch gelernt und Gedichte geschrieben hatte.
    »Wahrscheinlich hast du recht«, sagte Joe, sah mich an und schüttelte mir die Hand. »Das mit der Vierundzwanzigjährigen erwähnst du aber nicht, klar?«
    »Fiele mir im Traum nicht ein«, sagte ich. Ich winkte Iris zu und sah den beiden nach, als sie händchenhaltend, wie sie das in zwanglosen Situationen machten, über den Rasen zu ihrem Auto schritten.
    Wenn ich gewusst hätte, dass das das letzte – nein, nein, bloß nicht daran denken. Das würde nichts ändern. Ich lasse es so stehen: Ich sah den beiden nach, als sie händchenhaltend, wie sie das in zwanglosen Situationen machten, über den Rasen zu ihrem Auto schritten, drehte mich dann um, brachte das Gemüse an den Tisch, holte den Thunfisch heraus und servierte meiner Frau ihr Geburtstagsessen. Wir setzten uns zusammen an den Tisch. Es war ein wunderschöner Abend.
     
    Alec hatte die Wasabi-Kartoffeln ziemlich gut hinbekommen. Sie waren vielleicht einen Hauch schärfer, als ich sie gemacht hätte, aber nichtsdestotrotz eine starke Leistung. Für Elaine hatte er eine kleine Miniatur der George-Washington-Brücke bei Sonnenaufgang gemalt und in einen komischen Kupferrahmen montiert. Über das Bild freute sie sich sogar noch mehr als über die Ohrringe, die ich ihr mitgebracht hatte, aber das war in Ordnung. Wir vernichteten die zwei Flaschen Brunello mit beeindruckender Leichtigkeit, saßen im Garten vor den noch nicht abgeräumten Kuchentellern und genossen zu dritt das Summen der Nacht, das Surren des Insektenzerbröselers und das aus dem Haus dringende gedämpfte Säuseln Lionel Hamptons.
    »Ich wollte nächsten Freitag mal nach Bergen in die Buchhandlung fahren«, sagte Elaine. »Falls jemand von euch irgendwas an Büchern braucht, könnte ich die mit meinem Rabatt besorgen.«
    Alec zuckte mit den Achseln. Es war geplant, dass er das erste Semester zu Hause wohnen sollte, wo er schließlich ein schönes Atelier hatte, da die New School Studenten, die nach einer Pause wieder anfingen, keine Unterbringung garantierte. Wenn alles gut lief, wollten wir nach dem ersten Semester etwas in der Stadt für ihn suchen. Dass er bei Laura im East Village einziehen wollte, davon hatte er nichts gesagt,und das war auch gut so, denn es ersparte uns die Auseinandersetzung darüber.
    »Vierundfünfzig«, sagte Elaine nachdenklich. »Deine Frau ist vierundfünfzig, glaubst du das, Pete? Ich bin eine alte Frau.«
    »Nicht mal entfernt bist du das.«
    »Ich hab in einer deiner Zeitschriften gelesen, Mom, Fünfzig wären die neuen Dreißig. Das heißt, dass du eigentlich gerade vierunddreißig geworden bist.«
    »Du kannst es mir glauben, wenn ich dir sage, dass Vierundfünfzig nicht die neuen Vierunddreißig sind«, sagte sie. »Auch wenn ich mir das wünschen würde.«
    Danach schwiegen wir. Ich sann über Elaines Wunsch nach, noch mal vierunddreißig zu sein. Das war in der Tat eine schöne Zeit gewesen. Wir waren frischgebackene

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