Die Freundin meines Sohnes
Eltern, gerade nach Round Hill gezogen, ich bastelte an meiner Karriere im Krankenhaus, und Elaine fand Freunde in der Nachbarschaft. Das war, bevor sie wieder angefangen hatte zu unterrichten, was ihr so viel Befriedigung verschaffte, bevor ich mich wirklich etabliert hatte, bevor sich Alecs Persönlichkeit voll ausgeprägt hatte. In vielerlei Hinsicht war ich jetzt glücklicher als mit vierunddreißig. In vielerlei Hinsicht war ich gerade an diesem Abend so glücklich, wie ich nur sein konnte.
»Woran denkst du, Pete?«
»An nichts Besonderes«, sagte ich. »Ich bin ein bisschen angetrunken.«
»Was ist mit dir, Al?«
»Das Gleiche.« Er streckte die Finger aus und nahm sich noch ein Stückchen Torte auf die Hand, genauso wie seine Mutter es tat, wenn sie sich keine Gedanken um ihre Figur machte. Dann leckte er sich die Finger der Reihe nach ab. Genau wie sie.
Im hinteren Teil des Gartens, an der südwestlichen Grenzedes Grundstücks, die wir mit den Kriegers teilten, schoben sich vorsichtig zwei Hirsche durch die Fliederbüsche. Es waren Jungtiere, vermutlich Weibchen, da sie recht klein und noch getüpfelt waren. Normalerweise traten solche Hirschkühe nur in größeren Gruppen auf. Ob ihre Mutter von einem Auto angefahren worden war?
»Hol dir eine Leinwand, Al«, flüsterte Elaine, so als sei die menschliche Stimme noch imstande, Vorstadthirsche zu verscheuchen.
»Wenn Joe hier wäre, würde er sie erschießen.«
»Was sagst du da?«
»Er hat mir heute erzählt«, sagte ich, »er hätte Lust, mit Neal und Adam nach Maine zu fahren und auf Hirschjagd zu gehen. Mit Zwischenstopp bei L. L. Bean.«
»Du machst Witze«, sagte Alec kopfschüttelnd. »Laura würde das gefallen.« Ich war mir nicht sicher, ob er es ironisch meinte.
»Joe möchte Hirsche schießen gehen?«
Mit einem Mal schämte ich mich für meinen Freund. Kinderärzte in Round Hill, erst recht solche jüdischen Glaubens, bekannten sich nicht eben oft unverblümt zu Blutdurst. Ich zuckte mit den Achseln und beobachtete die Hirsche, die uns beobachteten, die großen schwarzen Augen hoffnungsvoll und leicht verschwommen im letzten Tageslicht. Auf der Seite der Kriegers tauchte auf dem Rasen, vielleicht drei Meter von den Hirschen entfernt, Kylie Krieger in einem mit Senf bespritzten Overall auf, einen halben Hot-dog in der Hand. Kylie war eine Göre von vielleicht fünf oder sechs mit Sommersprossen im Gesicht, die jedesmal heftig winkte, wenn ich auf der Straße an ihr vorbeikam.
»Ich will sie füttern!«, kreischte sie. Dann sah sie uns schuldbewusst an.
»Hallo, Süße«, rief Elaine.
»Ich will sie füttern!«, sagte Kylie noch einmal und streckte den Hirschen, die sie neugierig ansahen, den Hot-dog in ihrer Hand entgegen.
»Ja, warum probierst du’s dann nicht?«, fragte Elaine.
»Kylie! Kylie!« Mark Krieger – damals hatte ich noch keine Ahnung, wie heftig er einen Kaffeebecher werfen konnte, heute weiß ich es – kam seiner Tochter in den Garten nachgelaufen. »Kylie, hab ich dir nicht gesagt, du sollst nicht bei anderen Leuten auf den Rasen rennen …»
»Ist schon gut«, rief Elaine. »Wir freuen uns, wenn sie kommt.«
Mark warf uns einen dankbaren Blick zu. »Wir geben uns alle Mühe, sie dazu zu bringen, dass sie mal länger als fünf Sekunden stillsteht.«
»Daddy, ich will die Hirsche füttern !« Dann warf sie den Hot-dog mit aller Kraft ihres fünfjährigen Körpers von sich, die Hirsche, die unempfänglich für den Charme unserer kleinen Nachbarin waren, wichen in den Fliederbusch zurück und sprangen davon.
»Neeein!«, schrie sie, als die Hirsche sich in die Dunkelheit der Bäume zurückzogen.
»Oh, Kylie. Du hast sie erschreckt.«
»Wo sind die hingegangen, Daddy? Wo sind die hingegangen ?«
»Schätzchen, Hirsche mögen keine Hot-dogs. Das hab ich dir doch gesagt …«
Aber es war zu spät. Kylie warf sich in die Arme ihres Vaters und begann unbändig zu weinen, trommelte ihm unablässig mit den Fäustchen auf die Brust. Ich will die Hirsche füttern. Ich will die Hirsche füttern. Mark warf uns einen verlegenen Blick zu, und wir schüttelten mitfühlend die Köpfe. Vielleicht sollte ich später bei den Kriegers klingeln und fragen, ob sie auf einen Cognac herüberkommen wollten.Mark sah aus, als könne er ein Glas vertragen. Er zog sich auf die eigene Seite des Rasens zurück, und ich hörte, wie seine Frau völlig außer sich war. »Großer Gott, Mark, was ist denn passiert? Sie ist ja vollkommen
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