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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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Unheil über meine ganze Familie bringen. Es wird ihnen nichts mehr bleiben, verstehst du, nichts mehr!“
    Als ob er sofort aufbrechen wolle, versuchte der Engländer sich aufzurichten.
    „Thomas, du kannst auf keinen Fall für Reemt nach China fahren.“ Cirk drückte seinen Freund auf das Lager zurück. „Wir müssen mit diesem Schurken sprechen. Ich habe Geld, mein Freund. Wir werden dich freikaufen.“
    „Geld ist es nicht, was Reemt wünscht. Er will mich am Boden sehen, verstehst du. Es macht ihm Freude, dass ich kostbare Lebensjahre für ihn opfern muss. Und selbst wenn er sich auf eine Auslöse einließe“ – Thomas knirschte mit den Zähnen –, „wirst du so viel Geld niemals aufbringen können. Reemt braucht einen Kapitän für sein Schiff, und es bleibt nur noch wenig Zeit. Du weißt, ich wollte eigentlich schon vor Tagen nach Emden zurückkehren und Vorbereitungen treffen.“
    Cirk kniff die Augen zusammen. „Wann genau wird das Schiff auslaufen?“
    „Am 25. Oktober muss ich an Bord sein.“
    „Unmöglich! Reemt Neehus muss die Reise verschieben, wenn er dich als Kapitän haben will.“
    „Das kann er nicht. Die Burg von Emden sticht in See, um Tee, Porzellan und Seide aus China zu holen. Der Fahrplan der Tee-Schiffe richtet sich nach dem Rhythmus der Monsunwinde und dem nicht minder verlässlichen Rhythmus der Tee-Ernten in China. Um im Sommer in Kanton vor Anker zu gehen, muss die Fregatte spätestens Ende Oktober auslaufen.“
    Beide schwiegen für einen Moment. Dann setzte sich Thomas unter Stöhnen auf und umfasste Cirks Schultern.
    „Cirk, ich werde hier nicht mehr lebend herauskommen, das weiß ich, und frag nicht woher. Du hast immer geschworen, dass wir Brüder sind und einer das Leben für den anderen gibt. Habe ich nicht deinen Kopf gerettet, damals, als du den Franzosen in Netz gegangen bist? Cirk, ich bitte dich nicht gerne darum. Es ist fast unmenschlich, was ich verlange,aber du musst mich jetzt retten, mein Freund. Mein einziger Freund“, fügte er leise hinzu. „Nicht mein Leben, nicht meinen Leib. Ich habe es nicht verdient zu leben. Aber du musst meine Ehre retten. Meine Ehre und die meiner Familie. Fahre für mich nach China!“
    Und als ob sein Ausbruch ihn seine letzte Kraft gekostet hätte, sank Thomas wie tot auf das Feldbett zurück, während Cirk fassungslos auf seinen Freund starrte, dessen letzte Worte ihm wieder und wieder durch den Kopf gingen: „Fahre für mich nach China! Fahre für mich nach China!“
Der Freundschaftsdienst
    Der Oktober ging zu Ende und mit ihm der Herbst. Es war bitterkalt. Cirk zog den Mantel enger um sich und schlug den Kragen hoch. Er hatte auf dem Seeweg nach Emden zurückkehren müssen, denn morgen, am 25. Oktober, sollte die Burg von Emden ihre Reise nach China antreten. Und noch immer trug Cirk die leise Hoffnung in sich, Reemt Neehus, dem er in wenigen Minuten gegenüberstehen würde, mit geldlichen Mitteln abfinden zu können.
    Nach all den Wochen der Belagerung, des Patrouillierens auf schlechten Wegen, des Übersetzens über Gräben mittels Sprungstöcken – immer mit einer Waffe in der Hand – kam Cirk der Gang durch die Stadt wie ein geruhsamer Spaziergang vor.
    Innerhalb der Befestigungsanlagen waren die Straßen gerade und mit Steinen gepflastert, und die gepflegten Häuser mit den geschmückten Giebeln gefielen ihm ebenso wie die kleinen Gärten und Bleichfelder in den unbebauten Teilen der Stadt. Das Emder Rathaus war dem von Antwerpennachempfunden, hielt mit seiner beachtlichen Höhe und der prachtvollen Fassade aber jedem Vergleich stand. In der Mitte seiner Fassade befand sich ein Tor, durch welches Cirk nun schritt, um zum Stadthaus von Reemt Neehus zu gelangen.
    Sein erster Weg hatte Cirk zu Tjaldas Haus geführt, deren Tür er jedoch verschlossen vorgefunden hatte. Sein zweiter Anlaufpunkt war die Weinhandlung des alten Bonné Behrends auf der gegenüberliegenden Straßenseite gewesen. Aber auch dort fand sich keine Menschenseele. Wo mochten sie nur alle sein? Er würde es nach seinem Gespräch mit Neehus noch einmal versuchen. Tief in Gedanken versunken, nahm Cirk weder die Menschen um sich herum noch die Geräusche der vielen rollenden Fässer und trampelnden Pferdehufe wahr.
    Schließlich stand er vor dem Haus des Mannes, der seinen Freund ins Unglück gestürzt hatte. Es war ein prunkvoller Neubau, der die Macht seines Besitzers ausstrahlte.
    Eine Bedienstete öffnete ihm auf sein Klopfen und führte ihn

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