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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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versprach sich Cirk, „dann wird mich nichts mehr hier halten, und ich werde stehenden Fußes nach Emden zurückkehren.“
    Vorfreude stellte sich ein und verscheuchte für einen Augenblick Kälte und Sorgen. Cirk spürte, wie die Anstrengungen der letzten Stunden ihren Tribut forderten, und kämpfte gegen den Schlaf an.
    Endlich, als er schon überlegte, Thomas alleine zu lassen, um Hilfe zu holen, wurden sie von Ole Cramer gefunden. Cirk hatte den hünenhaften Mann bereits entdeckt, bevor er mit weit ausholenden Schritten zur Uferböschung hinabgestiegen war. Ole trug über den Uniformhosen einen weiten schwarzen Mantel und wirkte wie eine riesige Vogelscheuche. Er war ein gutmütiger Mensch, aber nicht gerade der Hellste. Mit seinen dummen Fragen hatte er Cirk schon oftmals fast an den Rand des Wahnsinns getrieben. Doch nun dankte Cirk Gott dafür, dass er auf einmal hier auftauchte.
    Er lief ihm entgegen, war dann aber so erschöpft, dass er sich für einen kurzen Augenblick an dem Hünen festhalten musste.
    „Biste verletzt, Cirk?“
    „Nein“, schüttelte der mit einem flüchtigen Lächeln den Kopf. „Es ist nur eine leichte Schwäche. Wir hatten hier so viele hübsche Mädchen zu versorgen, dass uns das eben eine Menge Kraft gekostet hat.“
    Ole runzelte die Stirn. „Wie meinste denn das?“
    Aber Cirk winkte nur ab. „Lass es gut sein, Ole. Thomas hat es erwischt. Wir müssen ihn ganz schnell von hier fortschaffen.“
    „Ist er …?“ Der Lange sprach das Wort nicht aus.
    Cirk machte eine abschlägige Handbewegung. „Nein, er hat eine Schussverletzung am Bein.“
    Sie traten an den Engländer heran, und Ole schob Cirk sanft beiseite. Dann fühlte er den Puls an der Halsschlagader des Engländers und beugte sich schließlich vor, um sein Ohr an dessen Brust zu legen. Thomas stöhnte laut auf.
    „Ja, er lebt tatsächlich noch. Also nichts wie weg hier. Diese verdammichten Kerle von Franzmännern haben schon sechs von uns das Leben gekostet.“
    Der starke Ostfriese verlor keine Zeit. Vorsichtig schob er seine Arme unter Thomas’ Körper und hob ihn hoch. Cirks Angebot, ihm dabei zu helfen, schlug Ole aus.
    „Es ist besser für Thomas, wenn ich ihn alleine trage.“
    Blitze zuckten um sie herum am Firmament, und Cirk schien es, als ob der Himmel sich nun völlig gegen sie verschworen hatte. Dicke Tropfen fielen, so dass sie völlig durchnässt waren, als endlich das nächstgelegene Lazarett in Sicht kam, vor dem zu Cirks Verwunderung niemand Patrouille lief. Im Lazarett wurden schon etliche Opfer des Überraschungsangriffs behandelt, und Thomas wurde sofort von seinen nassen Kleidern befreit und in Decken gehüllt. Der Feldarzt untersuchte rasch seine Wunden.
    „Er hat eine größere Verletzung am Oberschenkel und eine Vielzahl kleinerer im Schulterbereich. Aber die Beinverletzung macht mir die meiste Sorge. Die Kugel steckt noch in der Wunde.“
    Durch den provisorischen Verband, den der Arzt angelegt hatte, blutete die Wunde zum Glück jedoch nicht mehr.
    „Das Entfernen der Kugel könnte weitere Probleme verursachen, aber ich kann nicht mehr all zu lange damit warten.“ Der Arzt strich sich müde mit einer Hand durchs Haar. „DieKugel muss raus, sonst wird er mit ziemlicher Sicherheit an einer Entzündung sterben. Allerdings ist der Puls Ihres Freundes verdammt schwach … “
    Dann nahm er Cirk zum ersten Mal genauer in Augenschein. „Mit Ihnen ist aber alles in Ordnung?“
    Cirk nickte, nahm aber dankbar die Decke entgegen, die der Arzt ihm reichte. „Außer ein wenig Ruhe fehlt mir nichts. Ich wundere mich nur, dass vor dem Lazarett keine Wachen aufgestellt sind.“
    Im flackernden Licht der Öllampe bemerkte Cirk, dass ein freudiger Ausdruck über das Gesicht des Mannes huschte. „Haben Sie es denn noch nicht gehört? Ach ja, bis zur Vorhut wird die gute Nachricht wahrscheinlich noch nicht durchgedrangen sein. Diesen Morgen sollte doch eigentlich das große Bombardement stattfinden, die einzige Möglichkeit, die den Belagerern eingefallen ist, um die Franzosen aus der Festung zu locken. Eigens dafür waren ja die Kanonen der Engländer vorgesehen. Nun hat es sich aber ergeben, dass die holländische Regierung es dazu nicht kommen lassen will. Denn der französische Kommandant von Delfzyil hat in einer Proklamation den Einwohnern dieser Gegend gedroht, alles unter Wasser zu setzen, wenn Batterien gegen die Festung gerichtet werden. Deshalb wollen die Holländer nun, dass alle

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