Die Friesenrose
und in seinen Augen glomm ein irres Feuer.
„Cirk, es sind reale Albträume, die mich quälen. Niemals habe ich darüber gesprochen, aber jetzt, vor dem Abgrund, der sich vor mir auftut … Cirk, ich habe Todesangst! Ich stehe in der Schuld eines Menschen, und wenn ich sterbe …“ Er brach verzweifelt ab. Cirk wollte ihn unterbrechen, doch Thomas nahm keuchend den Faden wieder auf. „Es ist Reemt Neehus, der mich in meinen Träumen jagt. Er hat mich in der Hand. Und mit mir als Unterpfand kann er meine ganze Familie ins Unglück stürzen. Er hasst uns, weil meine Mutter uns liebte und ihn nicht. Alles konnte er kaufen und erzwingen, doch nicht ihre Liebe. Und nun kämpft er gegen uns, versucht mit allen Mitteln, mich und die meinen in den Dreck zu ziehen. Ich bin nicht der starke Held, den viele in mir sehen, nicht der gute Freund, den du zu kennen glaubst. Für gewisse Dinge würde ich meine Seele verkaufen und sogar unsere Freundschaft aufs Spiel setzen, Cirk. Ich bin nur ein schwacher Mensch, eine Maus, die sich in einer Falle hat fangen lassen.
Wenn ich Reemts Bedingungen nicht erfülle, dann wird er mir all mein Hab und Gut nehmen. Und was soll dann aus Lucia und aus meinen lieben, großzügigen Großeltern werden? Sie verlassen sich doch auf mich. Und Lucia in ihrem Zustand …“ Thomas’ Stirn glühte, und Cirk sah, wie er sich mit all seiner verbliebenen Kraft bemühte, nicht wieder in die Dunkelheit der Träume abzugleiten. „Er hat gedroht, mich ins Gefängnis werfen zu lassen. Das wäre vielleicht eine gerechte Strafe.“ Er lachte bitter. „Doch diese Genugtuung reicht dem verdammten Schuft nicht. Er will uns alle mit Füßen treten.“
„Nichts und niemand wird euch etwas anhaben“, versuchte Cirk seinen Freund zu beruhigen. „Thomas, es mag sein, dass du Probleme hast, aber sie werden sich lösen lassen, wenn du erst wieder gesund bist. Ich werde dir helfen, vertrau mir. Du musst dich jetzt nur ausruhen und schlafen. Alles ist gut.“
„Nichts ist gut, Cirk.“ Ein Drängen lag in Thomas’ Stimme. „Was ich dir erzähle, ist nur allzu wahr. Du weißt von meiner geplanten Reise nach China. Ich soll auf einem von Reemts Schiffen als Kapitän fahren. Das ist der Preis für meine Schwäche. Fast zwei Jahre meines Lebens muss ich diesem Schuft opfern. Zwei Jahre meines Lebens, für ein wenig Pech im Spiel.“
Ein Lächeln zog über Cirks Gesicht. „Daraus wird nichts werden, Thomas. Das wird auch Neehus einsehen und für dieses Mal einen anderen Kapitän verpflichten müssen. Du sagst, er hat dich in der Hand. Wenn es um Geld geht, Thomas, ich kann dir jederzeit …“
„Es geht nicht nur um Geld.“ Die Stimme des Engländers war tonlos. „Cirk, ich habe Schulden bei Neehus, Wettschulden. Sonst würde ich niemals einen Auftrag von ihm annehmen.Ich hasse diesen Kerl wie die Pest. Aber – wie ich schon sagte – er hat mich in der Hand. Du hast in mir immer nur das Gute gesehen, aber ich bin ein Spieler, und Reemt weiß das. Er hat mich immer schon zum Spielen und Wetten verführt. Was glaubst du, warum meine Mutter ihn geheiratet hat? Reemt drohte ihr damit, ihren einzigen Sohn hinter Gitter zu bringen – und er hätte die Möglichkeit dazu gehabt, Cirk.“ Von Schmerzen geschüttelt, hatte Thomas die letzen Worte kaum über die Lippen gebracht. „Ich bin ein verdammter Spieler. Und ich kann nicht damit aufhören. Auch nach dem Opfer meiner Mutter konnte ich es nicht. Ich habe nicht nur gespielt, ich habe auch betrogen. Reemt weiß davon. Er hat meine Haut gerettet und einen Meineid geleistet. Zwei Jahre habe ich mich danach von allen Clubs ferngehalten, doch vor drei Monaten kam Reemt mit einem fadenscheinigen Grund zu uns nach London. Er überredete mich zu einem Besuch der Londoner Clubs. Und dort habe ich an den Spieltischen zwischen samtbezogenen Wänden meinen letzten Rest Ehre verloren. Reemt stachelte mich auf. Ich spielte mit hohen Einsätzen, mit Geld, das ich für meine Schwester verwahrte. Dann setzte ich unser Haus, unseren ganzen übrigen Besitz für die vage Hoffnung ein, doch noch zu gewinnen – und verlor. Reemt beglich meine Schulden. Du weißt, er ist immens reich. Und so bin ich ihm in die Hände gefallen. Er hat es darauf angelegt, das schwöre ich. Dennoch ist es meine Schuld, und ich hasse und verachte mich für meine Spielsucht. Aber wenn ich nun nicht für diesen Kerl nach China fahre, dann wird er mich nicht nur wegen Betruges ins Gefängnis, sondern
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