Die Friesenrose
Tatsache enttäuscht, dass sein Freund ein Spieler war, vielleicht sogar ein Betrüger. An ihrem Verhältnis zueinander änderte das nichts. Mit Thomas ging es ihm wie mit seiner Mutter. Cirk hatte sie geliebt, und wenn ihr das Rauschgift nicht die Sinne vernebelt hatte, war diese Liebe erwidert worden. Über sieben Jahre hinweg hatte Cirk ihr Abgleiten in die Sucht und den Verfall ihres Körpers mit ansehen müssen. Damals, mit vierzehn, hatte er sich geschworen, sich niemals wieder in Abhängigkeit von jemandem zu bringen. Und nun war da diese Schuld, die beglichen werden musste.
Cirk hatte Thomas von seiner Liebe zu Inken erzählt. Auch über Tjalda hatten sie gesprochen. „Ich werde es ihnen erklären“, versprach der Freund.
Und so gab ihm Cirk einen Brief an Inken mit, in dem er mit verzweifelten Worten versuchte, ihr sein Tun zu erklären. Am schwersten war es ihm gefallen, seine Liebe zu ihr in Worte zu fassen.
„Der Brief ist nur für den Fall gedacht, dass ich sie morgen in Emden nicht antreffe“, erläuterte er Thomas. „Sie wird mich verstehen und auf mich warten“, hatte er sich selbst beschwichtigt. „Wenn sie mich liebt, dann wird sie auf mich warten!“
Es schmerzte ihn, die Verwirklichung seiner Träume um zwei Jahre aufschieben zu müssen. Aber was waren zwei Jahre im Verhältnis zu einem Leben? Er musste es für Thomas tun und für sich selbst. Denn nur dann würde er wirklich freisein. Inken würde das verstehen. Und vielleicht – doch dies war wirklich nur ein Hirngespinst –, vielleicht würde sie ihn sogar begleiten.
Cirk freute sich, wann immer er an Inken dachte. Er würde alles daransetzen, sie noch heute zu sehen. Und sobald diese unselige Reise zu Ende wäre, würde er für immer bei ihr zu Hause bleiben. An diesen Gedanken klammerte sich Cirk.
Wenn doch dieses Gespräch nur schon beendet wäre und er sich auf den Weg machen könnte! Er wollte Inken sehen, selbst wenn er dafür die ganze Nacht vor Tjaldas Haus stehen musste. Wo konnten sie nur alle stecken? Selbst Bonnés Geschäft hatte geschlossen, obwohl Bonné dort sonst immer zu finden war, war die Weinhandlung doch sein Leben.
Die Rückkehr des Kaufmanns riss Cirk aus seinen Gedanken. Demonstrativ baute Neehus sich vor ihm auf. „Also, wo ist Thomas wirklich?“
„Wie ich schon sagte, es geht ihm sehr schlecht. Er hat eine Schussverletzung am Bein und ist nicht transportfähig.“ Cirk sah seinem Gegenüber in die Augen. „Wir beide werden daher eine andere Lösung finden müssen, eine Lösung, bei der Thomas keine Rolle mehr spielt.“
Der Kaufmann musterte ihn abschätzend, schien seinen Worten aber Glauben zu schenken. Cirk ahnte, dass er sich um eine große Genugtuung gebracht sah.
„Wie stellen Sie sich das vor, mein Freund?“, erwiderte der Kaufmann bitter. „So auf die Schnelle werde ich keinen Kapitän mehr für das Schiff finden können. Zudem haben Sie keine Ahnung, wie viel Geld ich in das Unternehmen gesteckt habe. Die Burg von Emden muss fahren, sonst … “ Er beendete den Satz nicht, sondern sprang auf und lief unruhig im Zimmer auf und ab. „In Delfzijl wird morgen ein zweites Schiff auf die Reise nach China geschickt. Das kann dochkein Zufall sein. Ich sage Ihnen, meine Konkurrenten haben in aller Heimlichkeit einen Plan geschmiedet. Lange Zeit fehlte ihnen ein letzter potenzieller Geldgeber, um ihr Vorhaben, diesen Feldzug gegen mich, in die Tat umzusetzen. Doch den haben sie scheinbar nun gefunden.“
Eine Zornesader trat auf seine Stirn. „Diese Klugscheißer dachten, ich würde nichts davon erfahren, wenn sie alle Vorbereitungen für die Reise in Holland treffen.“ Er blickte Cirk entrüstet an, gerade so, als sei es ein besonders schändliches Verbrechen, sich ihm, dem mächtigen Reemt Neehus, in den Weg stellen zu wollen. Dann fing sich der Kaufmann wieder. „Es geht um Tee, Tee und nochmals Tee, müssen Sie wissen. Sollte die Maisje , das Schiff der Gemeinsamen Oostindien Compagnie , eher wieder in Emden eintreffen als mein Schiff, dann werde ich enorme Verluste hinnehmen müssen. Doch die Maisje ist ein alter Kahn, und wer als Kapitän für die Compagnie fahren wird, weiß ich nicht. Allein schon der Gedanke daran, dass die Compagnie versucht, meine Macht zu untergraben, ärgert mich ungemein. Seit Jahren bin ich der Einzige in dieser Region, dessen Geldmittel ausreichen, um Tee aus China zu holen. Selbst mit den Franzosen habe ich ein Abkommen treffen können. Ich bin der
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