Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
Vom Netzwerk:
meisten Arbeitskräfte auf der Plantage sind ,Teeroller‘. Durch das Rollen verliert der Tee nochmals Feuchtigkeit. In abgedichteten Körben muss er danach zwei bis drei Stunden gären, um anschließend wieder geröstet und gerollt zu werden. Beim wiederholten Rösten darf allerdings das Kohlenfeuer nicht mehr so heiß sein wie beim ersten Mal. Wehe dem Röster, der die Teeblätter anbrennen lässt. Es wird ihm nicht gut bekommen! Beim dritten Rösten, dem so genannten Trockenrösten, wird das Feuer noch weiter zurückgenommen.
    Es ist viel Arbeit, bis aus den Blättern des Teestrauches jenes feine, knistrige, aromatisch duftende Gekrümel wird, das wir Tee nennen. Ist er dann endlich fertig, wird der Tee abgewogen und in prächtig ausgeschmückte Kisten verpackt. Diese sind mit dem Namen der jeweiligen Plantage beschriftet und mit chinesischen Motiven bemalt.
    Aus dem Inneren Chinas machen sich die Teeladungen dann auf den beschwerlichen Weg nach Kanton, tief im Süden, zu den Handelsschiffen. Und dort in Kanton“, schloss Sumi, „wird auch die Maisje auf den Tee aus den Plantagen warten.“
    In der Kutsche war es so ruhig wie in einer Kirche.
    „Wie sehr musst du das alles vermissen“, meinte Tjalda mitleidig und öffnete wieder ihre Augen, die sie auf Sumis Geheiß während des Zuhörens geschlossen hatte.
    Sumi schüttelte langsam den Kopf. „Nein, diese zufriedene Frau vermisst nichts mehr. Manchmal ist da noch die Sehnsucht nach den Gerüchen und Klängen Chinas in ihr. Doch all dies ist wie der Teil eines Traums aus ferner Zeit. Diese Chinesin weiß, dass Träume wie Schmetterlingsflügel sein können, die die Seele streicheln. Aber der Schmetterling fliegt wieder fort. Dieser Frau aber bleibt – wahrhaftig und allgegenwärtig –der Tee. Wenn diese Chinesin ihn genießt, dann fühlt sie sich ihrer Heimat nahe. Schon das Öffnen der Teedose verströmt den Duft Chinas und versetzt sie in eine heitere Stimmung. Die Ostfriesen haben mit den Chinesen viel gemeinsam, auch wenn ihnen das merkwürdig erscheinen mag. Beim Tee ruhen alle Dinge – hier wie dort. Alles Beschwerliche zerfließt in Behaglichkeit. Teetrinken ist wie ein Lächeln über die Unruhe der Welt und ein Nutzen der Zeit auf andere Art. Es wird nicht viel gesprochen beim Teetrinken – in China nicht und auch nicht hier in diesem Nordseeland. Niemals machen die Ostfriesen viele Worte, und das gefällt dieser Chinesin. In meiner Heimat sagt man: ,Wenn der Teekessel nicht singt, muss der Chinese reden. Daher achtet er auf Kohle unter dem Feuer.‘ Dies könnte auch eine Weisheit aus Ostfriesland sein.“
    „Für alle Ostfriesen gilt das aber nicht“, lachte Tjalda und nickte mit dem Kopf in Bonnés Richtung.
    „Manche Leute haben halt was zu sagen“, versuchte sich der Weinhändler zu rechtfertigen, „während andere …“
    „Ach, hör doch auf. Als ob jemals etwas halbwegs Brauchbares über deine Lippen gekommen wäre“, schnitt ihm die Geldhändlerin barsch das Wort ab.
    „Und wer hatte die glorreiche Idee, mit der die Kundschaft in euren Laden gelockt wurde?“
    Gewichtig setzte sich Bonné auf, doch ein weiteres Schlagloch ließ ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder in sich zusammenfallen.
    „Die Idee hattest du“, beschwichtigte Tjalda, „aber die Umsetzung war ja für dich nicht schwieriger, als eine deiner Weinflaschen zu öffnen oder ein zahmes Kaninchen zu fangen, nicht wahr?“
    Bonné machte ein beleidigtes Gesicht, doch als Inken ihmmit federleichten Bewegungen über den Handrücken strich, lächelte er wieder.
    Den Rest der Reise verbrachten sie im Gepräch darüber, wo die Fracht der Maisje , die von ihnen georderten Waren, später gelagert werden könnten. Ob Sumi einen größeren Raum und Helfer für die Zubereitung der Teemischung brauchte und – diese Idee steuerte Inken bei – ob man nicht auf Borkum auch eine Teestube einrichten sollte. Nach dem Abzug der Franzosen war die Insel neuerdings Ziel vieler Sommerfrischler. Doch das Friesengold sollte nicht nur bei den Insulanern Einzug halten. Inken hatte gezielte Vorschläge, wie der Tee in großem Stil mittels Torfkähnen und Postkutschen unter die Leute gebracht werden könnte.
    Unter lautem Geschnatter kam die Kutsche schließlich am späten Nachmittag vor Tjaldas Haus zum Stehen, und die Fahrgäste folgten der Geldhändlerin in der Hoffnung auf eine gute Tasse Tee.
    „Hoppla, was ist denn das?“, rief Tjalda, als sie aufschloss. „Da scheint jemand etwas

Weitere Kostenlose Bücher