Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
Vom Netzwerk:
meinem Schrecken stellte sich jedoch heraus, dass Vater viele Schulden hatte, und nachdem diese bezahlt waren, blieben nur noch einige Kisten mit Wein übrig. Tja, und damit sind wir bei dem angekommen, womit ich all die Jahre mein Geld verdient habe. Es war ein schwieriger Einstieg, und obwohl man es nicht mehr sieht“ – Bonné klopfte auf sein Bäuchlein –, „habe ich so manchen Abend vor lauter Hunger nicht einschlafen können. Doch ich war und bin genügsam, wenn es sein muss.“
    „Was ist aus deinen beiden Tanten geworden?“ Inken maß Bonné mit einem mitleidigen Blick. „Sie wollten dich doch sicher unter ihre Fittiche nehmen.“
    Bonné schnaubte. „Und ob. Nur zu gerne hätten sie mich eingepackt und mit nach Köln genommen, wo ich wahrscheinlich noch immer unter ihrem Kommando arbeiten dürfte.“ Er griff sich an die Stirn. „Soweit ich weiß, sind Rosina und Helena schon vor Jahren kurz hintereinander gestorben. Nein, wisst ihr, ich habe mich nicht vereinnahmen lassen, sondern die beiden kurzerhand aus meinem Leben geworfen. Es war meine erste eigenständige Tat nach dem Tod meines Vaters. Tante Rosina warf mir vor, genauso undankbar zu sein wie mein Vater. Sie haben meine Großeltern – wie auch immer – dazu gebracht, mich zu enterben, und somit war ich die ganze Sippschaft los.
    Da stand ich nun also mit meinen Kisten Wein, einem guten Anzug und meinem losen Mundwerk. In meiner Verzweiflung trank ich eine ganze Flasche leer und schloss im Rausch ein Abkommen mit Gott. Wenn es mir gelingen sollte, so versprach ich ihm, diese Weine mit Gewinn an den Mann zu bringen, dann würde ich mein ganzes Leben dem Wein widmen.“ Bonné lächelte bei der Erinnerung. „Es warengute Weine, und ich veräußerte sie ohne große Schwierigkeiten. Doch es war ein langer und harter Weg, bis ich dort ankam, wo ich heute bin. Zeit zum Grübeln und Klagen hatte ich keine, und von vergangenen Zeiten zu träumen, wagte ich lange nicht. Zu groß war das Heimweh nach den alten Tagen der Geborgenheit. Ich war sechzehn Jahre alt und wollte überleben. Ein umherziehender Händler nahm mich unter seine Fittiche, und zu zweit wanderten wir einige Jahre von Ort zu Ort. Er verkaufte seine Haushaltswaren und ich meinen Wein. Das Ziehen des schweren Karrens überließ der Alte mir, doch dafür gab es jeden Abend einen Platz zum Schlafen auf seine Kosten. Nach seinem Tod wurde ich ganz unerwartet Erbe eines kleinen Vermögens, das der Alte wohl im Laufe der Jahre zusammengespart hatte. Danach ging es nur noch bergauf, bis ich eines Tages die kleine Weinhandlung kaufen konnte.“
    „Na, dein Versprechen Gott gegenüber hast du damit ja wohl mehr als gehalten.“ Tjalda zog eine Augenbraue hoch.
    „Ja, ich bin allezeit ein Weinhändler geblieben. Es hat mir nicht leidgetan, diesen Weg gewählt zu haben. Doch manchmal, in stillen Stunden, fehlt mir doch die liebevolle Hand einer Frau.“ Wieder sah er Tjalda mit seinem treuen Hundeblick in die Augen.
    „Liebevolle Hand.“ Tjalda schoss nun doch das Blut in die Wangen. „Das Liebevolle lässt meistens schnell nach, und übrig bleiben Ärgernisse, mit denen man sich abplagen muss. Weißt du, Bonné, wie viele verheiratete Männer dich um deine Freiheit beneiden? Du kannst kommen und gehen, ohne Rechenschaft ablegen zu müssen. Sogar diese Fahrt nach Delfzijl brauchst du vor niemandem zu verantworten. Welches liebevolle Eheweib hätte dich denn mit drei netten ungebundenen Damen diese Reise antreten lassen?“
    „Ja, wenn du es so sehen willst …“ Bonné kratzte sich am Kopf. „Aber …“
    „Kein ,Aber‘.“ Tjalda unterbrach ihn resolut. „Es ist so!“
    Die Unebenheit der Straße brachte die Kutsche für einen Moment zum Wanken, und die Insassen mussten sich festhalten, um nicht gegeneinanderzufallen.
    „Hach“, stöhnt Bonné, „Pest und Höllenbrand hole diese verdammte Kutschfahrt. Lasst uns weitermachen mit dem Erzählen, damit zumindest meine Ohren abgelenkt werden.“
    Beruhigend klopfte ihm Inken auf die Schulter. „Wir lauschen dir gerne, Bonné. Willst du nicht noch mehr erzählen?“
    „Nein, ich nicht.“ Bonné strich sich über das Kinn. „Aber vielleicht weiß diese anmutige Chinesin ja etwas aus ihrer Heimat zu berichten.“ Auffordernd blickte er Sumi an.
    „Oh ja“, pflichtete ihm Tjalda bei, „weißt du, Sumi, ich habe immer geglaubt, China sei noch weiter von Ostfriesland entfernt als der Mond. Doch seit nun gestern unser Schiff die

Weitere Kostenlose Bücher