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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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war also doch keine Einbildung gewesen.
    „Ja, bitte.“
    Lachend und unter vielen Verbeugungen betrat ein Chinese das Schlafzimmer. Er trug ein Tablett mit Teegeschirr in den Händen, das er auf einem Tischchen im Raum aufzudecken begann. Cirk machte eine dankende Geste, bedeutete dem Mann aber, dass er aufstehen würde, um sein Frühstück einzunehmen.
    „Oh, dieser Europäer muss nicht mit den Händen reden“, amüsierte sich der Chinese und lachte glucksend. „Dieser unwürdige Sohn eines Kochs hat schon vielen weißen Männern zu einem vollen Bauch verholfen. Allezeit ist er seinem Vater zur Hand gegangen, der früher – genau wie sein Sohn heute – die fremden Kaufleute bewirtete. Dabei hat dieser Mann mit Namen Hong nicht nur den Geschmack der Europäer kennen gelernt, sondern auch ein wenig von ihrer Sprache.“
    Nach diesen erklärenden Worten verbeugte sich Hong noch einmal.
    Unbewusst erwiderte Cirk die leichte Verneigung. Allein wegen ihres Auftretens konnte man nicht umhin, die Chinesen mit Höflichkeit zu behandeln.
    „Du bist also Hong, und der kaiserliche Beamte hat dich abgestellt, um uns zu bekochen“, fasste Cirk zusammen.
    Der Chinese nickte. „Aber dieser Kapitän braucht sich keine Sorgen zu machen, was das leibliche Wohl angeht. Die Chinesen essen alles, was schwimmt, fliegt oder vier Beine hat. Dieser Koch weiß, dass die Männer mit weißer Haut andere Essgewohnheiten haben, und wird weder Hunde noch Schlangen servieren.“
    „Da bin ich aber beruhigt“, antwortete Cirk trocken.
    Hong sammelte das Geschirr wieder ein und ließ ihn allein. Cirk schwang die Füße aus dem Bett und streckte sich. Langsam, ganz langsam kam nach den vielen Stunden, die er geschlafen hatte, die Erinnerung an den gestrigen Tag zurück.
    Nach neun Monaten auf See hatte die Burg von Emden endlich die Mündung des Perlenflusses und damit ihr Ziel erreicht. Es war wie in einem Traum gewesen. Cirk hatte sich nach der langen Zeit auf dem Schiff nicht sattsehen können an den wunderschönen fremdartigen Blumen, die zu beiden Seiten des Flusses blühten. Eine Zauberwelt tat sich vor ihm auf. Unbekannte Anblicke, Düfte und Geräusche umgaben sie. Dazu statt der harten Brise, die sie gewohnt waren, ein warmer lauer Wind, der die Haut umschmeichelte. Vier Meilen vor Kanton hatte die Burg von Emden bei einer kleinen Insel namens Wampou geankert.
    Der Eindruck von Unwirklichkeit hatte sich durch den überaus höflichen Empfang der Chinesen noch verstärkt.Unter vielen Verbeugungen war ein Hoppo, ein hoher kaiserlicher Beamter, der künftig die Verhandlungsgespräche mit den Kaufleuten über die Waren führen würde, zu ihnen aufs Schiff gekommen. Ihm war eine Gefolgschaft von Würdenträgern gefolgt, die das Schiff vermessen und die mitgebrachten Münzen gewogen hatten. Cirk hatte darüber gestaunt, mit welcher Gelassenheit die Chinesen ihren Aufgaben nachgingen. Hand in Hand arbeiteten sie, und alles schien nach einem wohl durchdachten Muster zu geschehen.
    Einige Besatzungsmitglieder der Burg von Emden waren, wie Cirk, niemals zuvor in China gewesen und hatten die Männer mit offenen Mündern angestarrt. Zu fremd waren ihr Aussehen und ihre Kleidung. Die Stellung der Männer ließ sich an ihrem äußeren Erscheinungsbild ablesen, an ihren kostbaren Stoffen und ihrem wertvollem Schmuck, wofür nur der Ausdruck „würdevoll“ gewählt werden konnte. Sie trugen lockere Gewänder, die mit der Mythologie entsprungenen Tierfiguren gemustert waren.
    „Die Tiere auf der Kleidung sollen den Träger schützen“, hatte einer der Matrosen gewispert. „Der Kranich symbolisiert ein langes Leben. Und schaut nur, der Drache auf dem Gewand des Hoppo hat vier Krallen. Das muss ein wahrhaft wichtiger Mann sein. Bei meiner letzten Chinareise habe ich gehört, dass der fünfkrallige Drache einzig der kaiserlichen Familie vorbehalten ist.“
    „Sie tragen irgendwie weibische Kleidung“, hatte ein anderer Matrose naserümpfend befunden, „und schaut euch nur mal die Zöpfe an!“
    „Und die Schuhe erst.“ Der Schiffsjunge hatte nicht umhingekonnt, darauf zu zeigen.
    „Ja“, hatte der Chinakenner amüsiert genickt, „die hohen kaiserlichen Beamten tragen diese Absätze, um sich von deneinfachen Landsleuten zu unterscheiden. Sie stehen über ihnen und über dem Schmutz der Straße.“
    Ein älterer Seemann war skeptisch gewesen und hatte sich am Kopf gekratzt. „Ich verstehe nicht, wie man sich so verunstalten kann. Verdammt,

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