Die Friesenrose
hinter verschlossenen Türen und können dieses fremde Land nicht sehen, riechen und schmecken.“
„Dieser bescheidene Chinese will gerne versuchen, Augen und Nase für den sehr geachteten Kaufmann zu sein.“ Hong neigte den Kopf auf die Seite und überlegte kurz. „Wenn dieser Langschläfer von einem Koch auf den Markt geht, um neue Vorräte zu besorgen, dann sind die Händler schon seit vielen Stunden auf den Beinen und bieten im Licht unzähliger Öllampen ihre Waren an. Die Verkaufsstände stehen so eng zusammen, dass die Träger wie Hasen Haken schlagenmüssen, um an ihnen vorbeizukommen. Buntes Treiben herrscht auf dem Markt: Habichthändler präsentieren ihre Vögel. Perlen und Seide werden angeboten, duftende Kräuter, Tee, Gold und Silberschmuck, Jade und Rhinozeroshorn. Später am Morgen kommen dann vermehrt Frauen auf den Markt, um Schafsköpfe und Mägen, Nieren, Euter, Hasen, Tauben, Krebse und Muscheln zu kaufen. Aber nicht nur Fleisch findet Abnehmer. Es gibt auch Schätze für die verwöhnte Kundschaft: Klöße aus Datteln, kandierte Früchte und mit Honig überzogene Teigfiguren. Für den unverwöhnten Chinesen Reis in allen Variationen. Meist allerdings zu kleinen Bällchen verarbeitet. Natürlich“ – er verzog amüsiert das Gesicht – „bietet ein guter chinesischer Markt auch Waren, die für fremde Augen wie die der hoch geschätzten Gäste dieses Hauses, ungewöhnlich erscheinen mögen. Nützliche Dinge wie in Blätter gewickelte lebende Weberameisen, die man in mit Fett gefüllte Schafsblasen lockt. Besitzer von Plantagen mit Orangenbäumen brauchen diese Tiere, die sich an Heuschrecken und schwarzen Ameisen laben. Auf dem Markt werden zudem Seepferdchen und Seesterne, Schlangen – sowohl frisch als auch gehäutet –, Frösche, Kröten und Skorpione verkauft. Von den Fröschen und deren Verarbeitung möchte dieser wissende Chinese den empfindsamen Ohren dieses Kaufmanns lieber nichts erzählen.“
In fliegender Eile hatte der Flame alles notiert. „Oh, so empfindsam bin ich nicht. Im Gegenteil, gerade das Ungewöhnliche interessiert mich besonders.“ Auffordernd blickte er dem Koch ins Gesicht, der sich aber offensichtlich nicht mehr länger über die Waren auf dem Markt auslassen wollte.
Hong verneigte sich leicht. „Dieser viel beschäftigte Koch wird sich jetzt an die Zubereitung des Mittagsmahls wagen.“
„Eine Frage noch, bitte.“ Der Flame zupfte an dem Gewanddes Chinesen. „Nur eine einzige, und dieser neugierige Flame gibt Ruhe.“ Er lächelte verschmitzt. „Wenn Sie zu Hause für Ihre Liebste kochen, was für ein Gericht würden Sie ihr dann machen?“
Etwas verlegen griff Hong zu der Seidenquaste am Ende seines Zopfes. „Ach, diesem stets arbeitenden Chinesen fehlt die Zeit für eine Liebste. Seine Liebste wäre vielleicht noch die alte Frau der Familie zu nennen, die Mutter seiner Mutter. Sie wird ab und zu bekocht von ihrem Lieblingsenkel. Eine Spezialität dieses untalentierten Kochs, Drache-und-Tigerim-Kampf genannt, mag die verehrte alte Frau besonders. Es ist ein Ragout aus Katzen- und Schlangenfleisch.“
Mit aufgerissenem Mund hörte der Flame zu. „Katzen- und Schlangenfleisch sagen Sie?“ Seine Zunge fuhr aufgeregt zwischen den Lippen hin und her, und die Finger fegten nur so über das Papier.
„Klein geschnitten, ganz klein“, bestätigte Hong.
Während Cirk noch überlegte, ob er nicht lieber das Weite suchen sollte, fuhr der Koch fort: „Ihr Lieblingsessen aber heißt Drei Piepser , eine Leckerei aus ganz jungen Rattenbabys.“ Er schien sich sichtlich für das Thema zu erwärmen. „Das erste Mal piepsen sie beim vorsichtigen Hochheben mit den Stäbchen. Das zweite Mal, wenn man sie lebendig in Honig wälzt. Und dann noch ein drittes Mal … “
Das dritte Mal ersparte sich Cirk, indem er die Tür von außen schloss. Er atmete tief durch. Wenn man den Ausführungen Hongs lauschte, schien es geradezu ein Segen zu sein, dass ihr Markt für die Europäer unerreichbar war. Cirk legte keinen gesteigerten Wert darauf, enthäutete Frösche und Schlangen zu Gesicht zu bekommen. Stattdessen würde er sich lieber für die Begegnung mit Kapitän Jacobs wappnen.
Da war noch immer diese Idee in seinem Kopf, ein Plan,mit dem sie vielleicht Reemt Neehus an der Nase herumführen könnten.
Die Absprache
Obwohl es noch früh am Morgen war, versprach es ein heißer Tag zu werden. Schon jetzt brachte die feuchtwarme Luft Cirk zum Schwitzen. Tief in
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