Die Friesenrose
Badekarren in derNähe war – die Gäste sogar huckepack an den Strand trugen. Die meisten Häuser der Insel waren auf die Gäste eingestellt und boten ihnen Zimmer und Frühstück an. Die Besucher wurden nach der fast einen ganzen Tag dauernden Schiffsreise mit aufspielenden Musikanten empfangen, und Garrelt hatte berichtet, dass die Gäste sogar im Meer badeten. Vollkommen freiwillig ließen sie sich bis zum Hals von den Wellen umspülen, wo doch jeder vernünftige Mensch um die Gefährlichkeit des Seewassers wusste.
Wenn es die Wohlbetuchten also so sehr nach Meerwasser verlangte, so Inkens Idee, warum sollten sie dieses nicht auch auf Borkum genießen? Dazu mussten natürlich Quartiere geschaffen werden. Und als Zuckerstückchen obendrauf würde man ihnen noch eine eigene kleine Kruiderrie auf der Insel bieten. Die Inselgäste und auch die Insulaner wären sicherlich begeistert, und vielleicht würde es sich sogar lohnen, eine kleine Teestube dort zu eröffnen. Hatten die Menschen nicht alle Zeit der Welt, wenn sie zur Erholung nach Borkum fuhren?
Inken hatte ihren Einfall mit den Freundinnen besprochen, und während Sumi eher skeptisch schien, war Tjalda hellauf begeistert gewesen.
„Ja, das ist es! Lass doch unsere Wiebke mit auf die Insel gehen. Sie hat einen Narren an deinem Vater gefressen, Inken. Und wie so eine Kruiderrie geführt wird, weiß sie mittlerweile ganz genau. Außerdem könnte eine von uns regelmäßig rüberfahren und ihr helfen. Und vielleicht übernimmt auch dein Freund, dieser Austernfischer, die Versorgung des Ladens mit Waren. Bräuchte ja nicht zu seinem Schaden zu sein.“
„Mein Vater könnte seinerseits in seinem Haus einige Gästezimmer herrichten lassen.“
„Ja“, hatte Tjalda begeistert zugestimmt. „Wiebke könnte sich vormittags damit beschäftigen, den Sommerfrischlern ein gutes Frühstück zu bereiten, die Zimmer in Ordnung zu halten und deinem Vater Gesellschaft zu leisten. Nachmittags dann hätte die Kruiderrie einige Stunden auf. Und sollte die Teestube Anklang finden, ließen sich sicherlich einige Borkumerinnen gewinnen, um die Gäste zu bedienen und mit selbst gebackenem Kuchen zu versorgen. Wir wissen ja aus eigener Erfahrung, dass Leckereien immer locken.“
Auch Inkens Vater war von der Idee angetan gewesen, und die Frauen hatten den wohl nicht ganz unbegründeten Verdacht, dass dies nicht zuletzt an Wiebke lag, die ihn nach Borkum begleiten sollte.
„Und Kapitän Inkens“ – Tjalda hatte ihm aufmunternd auf die Schultern geklopft –, „in den Wintermonaten brauchen Sie auch keine Angst vor Langeweile zu haben. Dann können Sie sich gerne ihrer Knochenarbeit widmen.“
Tjalda hatte Recht mit ihrer Annahme behalten. Die Knochenkunstwerke verkauften sich in der Kruiderrie außerordentlich gut.
Wiebke ihrerseits war gerne mit nach Borkum gereist. Begeistert hatte die Witwe jedem ihrer Vorschläge zugestimmt. Sie war eine resolute Person, die stets dunkle Kleidung trug und das Herz auf dem rechten Fleck hatte.
„Was hält mich denn noch hier in Emden?“, hatte sie Inkens Einwände vom Tisch gewischt. „Auf zu neuen Ufern! Die Kinder sind groß und können gut und gern für sich allein sorgen. Und unter uns gesagt bin ich heilfroh, dem Kapitän nahe sein zu können. Aber“ – sie hatte mit einer Handbewegung ihre Lippen verschlossen – „diese Gefühlsregungen einer alten Frau behaltet bitte für euch.“
Tjalda hatte ihre Schulter getätschelt. „Das wird schonnoch. Heize dem alten Seebären nur ordentlich ein, dann gehen ihm vielleicht die Augen auf.“
Garrelt hatte den Kapitän und die Witwe zur Insel gefahren. Dem alten Austernfischer waren die Tränen in die Augen gestiegen, als er seinen Freund nach so langer Zeit wiedersah.
„Was hab ich gesagt, Mädchen“, klangen Inken seine Worte wieder im Ohr. „Was ein richtiger alter Walfänger ist, lässt sich nicht so einfach von einer Horde Franzmänner unterkriegen.“
Garrelt war auch derjenige, der die Insulaner dazu brachte, stolz auf die kleine Kruiderrie und die schnell eintreffenden Gäste zu sein. Und die Borkumer hatten bald erkannt, dass sich mit dem Bewirten der Sommerfrischler, mit kleinen Ausflugsfahrten und verschiedenen Kunsthandwerken mehr Geld verdienen ließ als mit Fischfang.
Seitdem ihr Vater wieder auf der Insel wohnte, besuchte Inken ihn häufig an den Wochenenden. Und obwohl sie dieser Tage eigentlich hätte in Emden sein sollen, um auf das Anlegen der Maisje zu
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