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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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Wissen, dass auch sie im Begriff war, zu fliehen, genauso wie er. Doch diesen Gedanken schob sie schnell beiseite. Es war keine Flucht, es war eine Notwendigkeit! Noch war keines der beiden Handelsschiffe zurückgekehrt, aber sobald die Maisje mit ihrer Fracht Emden erreicht hatte, würde Inken die Stadt verlassen. Sie wollte nur noch wissen, dass das in Auftrag gegebene Teegeschirr sicher angekommen war, und auch einige Teile von ihm mit nach Wallendorf nehmen. Denn wenn die Geschäftsverbindung mit der dortigen Porzellanmanufaktur zustande käme, wäre dies ein großer Schritt für die Kruiderrie und damit für sie alle, dessen war sich Inken sicher. Sie musste nur noch Tjalda und Sumi von ihrem Vorhaben überzeugen, was nicht einfach werden würde. Die Freundinnen würden sie nicht gerne gehen lassen.
    Tjalda davon zu überzeugen, ihren Vater für einige Zeit in ihrem Haus aufzunehmen, war dagegen leicht gewesen. Ein halbes Jahr hatte der Walfänger Hinderk Inkens in Emdenverbracht – besser gesagt verbringen müssen. Denn die Franzosen waren nicht gerade pfleglich mit seinem Haus auf der Insel Borkum umgegangen. Die Renovierungsarbeiten hatten viel Zeit in Anspruch genommen, während der er bei Tjalda das Zimmer bewohnt hatte, in dem Inken so lange zu Hause gewesen war. Inken ihrerseits hatte sich mittlerweile eine kleine Wohnung ganz in der Nähe der Kruiderrie gesucht.
    Besonders schätzen gelernt hatte Hinderk den Weinhändler Bonné Behrends. Fast jeden Abend trafen sich die Männer zum Brett- oder Kartenspiel. Auch Wiebke, die Witwe, deren Hilfe sie mittlerweile regelmäßig in der Kruiderrie in Anspruch nahmen, war ihm sehr sympathisch.
    Seine freie Zeit verbrachte Hinderk Inkens jedoch mit dem Gravieren von Walfischknochen, die er im Hafen erwarb. Sumi hatte seine Kunstwerke mit großen Augen bewundernd betrachtet, aber Tjalda, ganz Geschäftsfrau, hatte gleich einen Markt für die kunstvollen Szenen gewittert.
    „Da beherberge ich einen Künstler in meinem Haus und weiß nichts davon“, hatte sie mit den Händen in den Hüften vor ihm gestanden, „die Emder werden uns diese wunderschönen Stücke aus den Händen reißen.“
    Inkens Vater hatte verlegen abgewiegelt. „Also, das ist doch wirklich nichts Besonderes. Schon an Bord meines Vaters habe ich mich während der langen Flautezeiten damit beschäftigt, Gravuren in Walknochen und -zähnen anzubringen. Ist ein schöner Zeitvertreib.“
    „Zeitvertreib? Eine gute Einnahmequelle ist das!“ Tjalda war sich dessen sicher gewesen. „Wir werden mal eine paar Stücke im Laden ausstellen, und dann werden Sie schon sehen.“
    Sumi hatte sich auf ihre vorsichtige Art nach der Behandlung der Walfischknochen erkundigt, und Inkens Vater wargerne zur Auskunft bereit gewesen. „Die Werkstücke werden mit Walfischhaut geglättet und dann, am besten mit dem Daumenballen, poliert. Eine Nadel dient mir als Werkzeug für die Gravuren, die später mit einer Mischung aus Tran und Ruß geschwärzt werden, so dass sie sich von der hellen Knochenmasse abheben.“
    Lange hatte Sumi bei Hinderk Inkens gestanden und beobachtet, wie präzise er die zierlichen Gravuren in Form von Schiffen, Walfangszenen oder auch Personen anbrachte.
    Inken hatte immer wieder einen Anflug leichten Unbehagens verspürt bei dem Gedanken daran, dass ihr Vater bald ganz allein in dem großen Haus auf Borkum wohnen würde. Natürlich gab es da den einen oder anderen Freund auf der Insel, aber sie selbst würde sich dort nicht um ihn kümmern können.
    Als ihr Vater kurz vor seiner Abreise scherzhaft gemeint hatte: „Ich werde euch alle samt dem Laden vermissen, möchte aber auch gerne nach Hause“, war Inken einer ihrer früheren Einfälle wieder in den Sinn gekommen. Wenn ihr Vater nicht mehr in die Kruiderrie kommen konnte, dann musste die Kruiderrie eben zu ihm kommen!
    Seit die Franzosen aus dem Land waren, war es bei den wohlbetuchten Herrschaften in Mode gekommen, einige Tage im Jahr auf einer Insel zu verbringen. „In die Sommerfrische gehen“, nannten sie das. Die Insulaner auf Norderney hatten diese Entwicklung kommen sehen und profitierten schon kräftig davon. Ihre Gäste scheuten selbst den langen Wasserweg durch den Dollart und über das Watt nicht. In leichten Booten wurden sie über die See geschaukelt. Den Rest der Reise legten die Sommerfrischler dann schwankend auf hochrädrigen Wagen zurück. Garrelt hatte erzählt, dass die Seeleute – sofern gerade kein so genannter

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