Die Friesenrose
hinein. Denn genau das war der Punkt. Er hatte vor sich selbst nicht zugeben wollen, dass dieses junge Mädchen ihn mehr als alle anderen Frauen vor ihr faszinierte, weshalb er sich hinter einer Maske aus Spott versteckt hatte. Ein Spott, der nicht zuletzt ihm selbst galt. Wie viele erfahrene Frauen hatten sich ihm im Laufe der Jahre angeboten? Immer mit einem mehr oder weniger gewagten Äußeren. Und dann kam eine blutjunge Frau in Männerkleidung daher und brachte ihn vollkommen durcheinander.
Dabei stand ihm überhaupt nicht der Sinn danach, sein Herz zu verlieren. Denn wohin unerwiderte Liebe führen konnte, wusste Cirk nur zu gut. Er biss sich auf die Lippen. Warum konnte er dann aber, verdammt nochmal, Inken nicht mehr aus seinem Kopf bekommen? Sie schien ihn verhext zuhaben. Was hatte sie nur an sich, dass ihr Bild ihm ständig gegenwärtig war? Zuerst waren da nur ihre Augen gewesen, die ihn in ihren Bann gezogen hatten. Kurze Zeit darauf hatte ihn ihr Mut beeindruckt. Da setzte dieses Mädchen selbstlos ihr Leben für einen völlig Fremden aufs Spiel! Es lag so viel Stärke in ihrem Handeln und eine Selbstständigkeit, die ihm Respekt abnötigte. Denn Frauen, die ihr Leben in die Hand nahmen, kannte er nur wenige. Mit Ausnahme von Tjalda, doch das war etwas anderes. Diese junge Frau war ja fast noch ein Kind, und doch ging etwas Besonderes von ihr aus. Vielleicht war es ihre innere Stärke, gepaart mit Liebreiz und einer guten Portion Halsstarrigkeit, die ihn nicht mehr losließ. Nochmals später, draußen vor der Gaststube, war es dann mehr gewesen. Er konnte sich nicht erklären, wie oder wann genau es passiert war, musste sich aber eingestehen, dass dieses Mädchen sein Herz gestohlen hatte! Kaum hatte er es ertragen können, sie gehen zu lassen. Da war tatsächlich der Wunsch gewesen, sie festzuhalten, sie anzuflehen, mit ihm zu kommen. Mit ihm wohin? Verächtlich kräuselten sich seine Lippen. In Tjaldas Versteck, das kaum mehr war als ein kleiner Bretterverschlag? Gerade einmal eine Woche hatte er es dort ausgehalten, um dann lieber wieder der Gefahr ins Auge zu sehen. Ha! Der Gefahr ins Auge sehen! Damit belog er sich doch nur selbst! Cirk schlug sich mit der Faust in die linke Handfläche. Denn die kleine Hütte in der Einöde hatte er nur verlassen, um nach Inken zu suchen!
Aber er war kaum aus seinem Versteck herausgekrochen, als ihn auch schon die Franzosen in die Enge getrieben hatten. Thomas war ihm in allerletzter Sekunde zu Hilfe gekommen. Cirk holte tief Luft. Er hatte nicht einmal mehr die Möglichkeit gehabt, Tjalda aufzusuchen, geschweige denn nach Inkens Verbleib zu forschen. Und jetzt war er hier, weit fortvon ihr, in England. Dabei war immer noch der brennende Wunsch in ihm, sie wiederzusehen. Stattdessen musste er sich verstecken. Hoffentlich hatte Inken seinen Rat angenommen und Tjalda aufgesucht, damit er später ihre Spur verfolgen konnte.
Cirk verzog das Gesicht, als er an die Geldhändlerin dachte. Er hatte sich nicht nur vor Inken lächerlich gemacht. Seine Verwirrung nach ihrer Begegnung war so groß gewesen, dass er sogar Tjalda davon berichtet hatte. Cirk stöhnte, als er an ihre blitzenden Augen und den Triumph in ihrer Stimme dachte. „Es hat dich erwischt, mein Junge!“ Hätte er nur den Mund gehalten! Hoffentlich nutzte Tjalda ihr Wissen nicht aus, denn sie würde es nur zu gerne sehen, wenn er endlich „einen Hafen für sein Herz“, wie sie es nannte, fände, und dies glaubte sie nun in greifbare Nähe gerückt.
Was hatte Tjalda an dem Abend gesagt? „Liebe ist nicht leicht zu finden, und meist kommt sie zu denen, die nicht danach suchen.“ Ja, die Geldverleiherin kannte ihn nur zu gut und wusste, dass er sich nicht verlieben wollte. Und das war es auch, was ihn mit seinem Schicksal hadern ließ. Er hatte nicht um Liebe gebeten und er wollte und brauchte sie auch nicht. Vor allem wollte er die widersprüchlichen Gefühle nicht, die sie in ihm auslöste! Zu lieben brachte nur Probleme mit sich.
Aus dunklen Tiefen tauchte das Gesicht seiner Mutter wieder vor ihm auf, und Cirk schloss gequält die Augen. Bedingungslose Liebe konnte den Tod bedeuten, das hatte er durch sie gelernt. Und einmal mehr glitt sein Leben an ihm vorbei wie die Landschaft auf einer Kutschfahrt. Ein bewegtes Leben! Verbitterung stieg in ihm auf. Eine lächerlich kurze Kindheit mit einer liebenden Mutter, die zu schwach gewesen war, um ihm wirklich Halt geben zukönnen. Die ihr Glück von
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