Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
Vom Netzwerk:
wurden.
    Zu der Trauer um die gefallenen Männer und Söhne kamdie Wirtschaftskrise, in die Napoleon seinen verhassten Feind zu treiben versuchte. Die gesamte Bevölkerung litt unter der Kontinentalsperre. Selbst den britischen Schiffen, die mit Waren aus den westindischen Kolonien kamen, wurde aufgelauert und ihre Fracht beschlagnahmt. Gerade heute Morgen war es einem der Schiffe gelungen, glücklich und noch reich beladen, unter Jubel im Londoner Hafen anzukommen, und die Seemänner hatten mit Stolz in den Augen davon berichtet, wie sie den Franzosen mit knapper Not entkommen waren. Sie wurden wie Helden gefeiert.
    Thomas dagegen gehörte zu den Männern, die ihrem Land auf andere Weise dienten. Er und seine Leute fuhren trotz aller Gefahren aufs Meer hinaus und setzten ihr Leben aufs Spiel, um die Not der Bevölkerung zu lindern. Thomas’ Großeltern wussten natürlich um die Lage im Land, hielten innerlich aber immer noch an den alten Zeiten fest und versuchten, den Krieg weitgehend zu ignorieren. Sie schoben die Tatsache zur Seite, dass Thomas’ Leben wieder und wieder an einem seidenen Faden hing.
    Beim Gedanken an Thomas’ Großeltern zog ein Lächeln über Cirks Gesicht. Sie mochten weltfremd sein, dafür aber auch übermäßig herzlich und liebevoll. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatten die Devons ihn aufgenommen wie einen Sohn.
    Und dann gab es da noch Thomas’ Schwester Lucia, die weiß Gott kein Segen war und sich großartig darauf verstand, ihre Großeltern um den Finger zu wickeln und dazu zu bringen, ihr jeglichen Willen zu lassen.
    Wie lange kannte er die Familie Devon nun schon? Wie lange kannte er Thomas? Acht, neun Jahre? Zuerst, vor dem Krieg, war es nicht mehr als eine gute Geschäftsbeziehung gewesen, die hinter ihren Treffen steckte. Doch nach undnach war Freundschaft daraus geworden. Und als die Franzosen den Handel mit den Engländern verboten, war es ganz selbstverständlich gewesen, dieses Verbot mit Thomas’ Hilfe zu umgehen. Immer wieder waren ihre Schiffe nach Helgoland gefahren, und Thomas hatte Waren aus England mitgebracht, die Cirk dann an seine Landsleute verteilt hatte und umgekehrt.
    Und nun dieser ganz besondere Freundschaftsdienst. Thomas hatte sein Leben gerettet! Weshalb Cirk tief in seiner Schuld stand und Thomas’ Angebot, bei seiner Familie unterzuschlüpfen, auch nicht ablehnen konnte. Die Tatsache, einem anderen, und sei es dem besten Freund, etwas schuldig zu sein, nagte jedoch an ihm. Dennoch würde er den Aufenthalt in England genießen, dass wusste Cirk. Der einzige Wermutstropfen war Thomas’ Schwester. Sie war nichts weiter als ein verwöhntes Kind, das es gewohnt war, seinen Kopf durchzusetzen – notfalls mit List und Tücke. Cirk seufzte. Schon bei seinem letzten Besuch hatte er ihr klarzumachen versucht, dass ihre Wünsche in Bezug auf ihn sich nicht erfüllen würden. Hoffentlich konnte er sich die Lady diesmal vom Leib halten. Niemals würde er es so direkt vor seinem Freund aussprechen, aber diese Frau war mannstoll, das stand fest. Wie viele Liebhaber mochte sie schon verschlissen haben? Umso wichtiger war, Lucia einfach klarzumachen, dass ihre Spielchen bei ihm vergeblich waren, dass sie ihn nicht reizte. Sonst würde sie ihm den Aufenthalt auf Rosegarden , wie das Anwesen der Devons genannt wurde, zur Hölle machen.
    Und als ob die Realität seinen Gedanken Folge leisten würde, lichtete sich der Wald und gab einen Blick auf das Anwesen frei. Die Auffahrt zum Haus war gewunden und von kleinen blühenden Wildrosenbüschen begrenzt. Farne säumten den Wegrand, und der Waldboden zu ihren Füßen warübersät von kleinen weißen und herrlich duftenden Blumen, deren Name Cirk einfach nicht einfallen wollte. Sie schienen den Waldweg mit Licht zu erfüllen, und Cirk nahm ihren Duft tief in sich auf.
    Thomas ritt nun schneller. Es war, als könne er die Ankunft nicht mehr erwarten. Cirk verhielt dagegen für einen Augenblick sein Pferd. Wie immer war er überwältigt von der schlichten Schönheit des Gebäudes und seiner Umgebung. Das Haus lag inmitten der Landschaft wie eine wunderschöne Blume auf grünem Samt. Ein solides Bauwerk mit hohen Bogenfenstern und zwei kleinen Erkern. An den Mauern wuchsen tiefrote Rosen und Waldreben von einem so intensiven Weiß, dass sie mit den Wolken am Himmel konkurrierten.
    Ja, so musste es sein, nach Hause zu kommen! Für einen Augenblick verspürte Cirk Neid. Er lenkte sein Pferd zum vom Goldregen berankten Tor, das

Weitere Kostenlose Bücher