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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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den Männern nur allzu leicht, sich in sie zu verlieben. Stell dir vor, Inken, sie wollte sogar mich bezirzen. Und es war gar nicht so einfach, ihren Fängen zu entkommen.“
    Zwar hatte er bei diesen Worten gelacht, doch Inken vermeinte ein leichtes Unbehagen aus seiner Stimme herauszuhören. Sie hatte versucht zu ergründen, woher es kam, doch er war ihren Fragen ausgewichen und hatte sich rasch einem anderen Thema zugewandt.
    An ihrem letzten Abend auf der Insel liebten sie sich vor dem knisternden Feuer. Später lagen sie eng umschlungen und beobachteten die glimmende Asche im Kamin. Auch als das Feuer erloschen war, rührten sie sich nicht, sondern verloren sich in ihren Träumen, um der Wirklichkeit noch ein letztes Mal zu entfliehen.
    Schließlich räusperte Cirk sich und brach den Zauber. „Das nenne ich Glück“, sagte er mit rauer Stimme.
    „Was genau meinst du?“ Inken zeichnete mit dem Finger verschlungene Muster auf seine Haut.
    „Wenn es so ist wie jetzt. Ich fühle mich wunschlos glücklich, alle meine Sinne sind wie betäubt und trunken vorWonne. Mir ist warm, rundum, und du liegst neben mir. Ich rieche das Meer, ich höre die Schreie der Möwen und das Knistern des Feuers. Wir haben uns geliebt und zudem eine anständige Mahlzeit und einen guten Wein genossen. Mehr kann man vom Leben nicht verlangen. Inken“ – er sah ihr ernst ins Gesicht –, „ich kann mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen.“
    „Ich auch nicht, aber wir werden bald ohne einander sein müssen.“ Inkens Stimme brach, doch dann lächelte sie ihm zu. „Weißt du, Cirk, ich habe vorhin versucht, mich an den Gedanken zu gewöhnen, ohne dich zu sein. Ertrage es aber nur mit dem Wissen, dass es für kurze Zeit sein wird. In Gedanken wirst du jedoch bei mir sein, egal wie weit wir auch voneinander getrennt sein mögen. Am Abend wird dir mein letzter Gedanke gelten und am Morgen mein erster.“
    „Trotzdem habe ich das Gefühl, dich zu verraten.“ Cirk blickte an ihr vorbei. Sein Gesicht wirkte traurig. „Ich muss gehen, obwohl wir uns noch nicht einmal richtig kennen gelernt haben. Es gibt so vieles, was ich dir noch sagen muss. Dinge und Seiten meines Lebens, die dich vielleicht erschrecken werden und die ich deshalb nicht übers Herz gebracht habe, dir während unserer geschenkten Tage zu erzählen.“
    „Quäle dich nicht mit solchen Gedanken“, beruhigte Inken ihn. „Wir werden später noch alle Zeit der Welt haben, um uns genauer kennen zu lernen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass deine Vergangenheit meine Liebe zu dir erschüttern könnte.“
    Cirk biss sich auf die Lippen. „Ich habe Dinge getan, für die ich mich heute schäme. Doch es lässt sich nicht mehr ändern. Weißt du, ich habe Menschen ins Unglück gestürzt.“ Erschwieg und schaute blicklos auf die Asche im Kamin. Doch dann warf er den Kopf zurück. „Aber was gewesen ist, ist vorbei. Wir werden gemeinsam einen neuen Anfang wagen. Mich von dir zu trennen fällt mir so schwer wie nichts zuvor in meinem Leben.“
    Inken dachte an das Morgen und den Weg zurück in die Wirklichkeit. „Ich glaube, das Schlimmste wird der Abschied sein, Cirk. Am liebsten würde ich einfach hierbleiben, hier auf der Insel. Oder nein, noch besser auf Borkum. Mein Traum ist es, dort mit dir zusammenzuleben.“
    „Das werden wir, Inken“, drückte Cirk ihre Hand ganz fest.
    „Ich möchte um nichts in der Welt, dass unsere gemeinsame Zeit zu Ende ist.“
    Cirk betrachtet sie mit einem Lächeln. „Sie ist nicht zu Ende, Inken.“ Er breitete die Arme weit aus. „Glaub mir, unsere gemeinsame Zeit hat noch nicht einmal richtig angefangen!“
Lucia
    Bis zu Cirks Aufbruch blieben nur noch wenige Stunden. Am gestrigen Abend waren sie nach Emden zurückgekehrt, und heute, am frühen Nachmittag, würde Cirk sich mit den anderen zusammen auf den Weg nach Delfzijl machen. Tjalda hatte ein besonderes Mittagessen zubereitet, wobei Inken sich fragte, ob sie es unter diesen Umständen auch alle gebührend genießen könnten. Die Freundin stand am Herd und rührte in einer Marinade, die es zum Fisch geben sollte, schmeckte sie mit einem Holzlöffel ab und schnalzte mit der Zunge. „Mmh, nicht schlecht für eine Geldhändlerin. Du kannst Cirk gleich zum Essen rufen. Ich werde diesem Burschen den Abschieddamit schwer machen.“ Sie seufzte. „Wenn er nur nicht wieder fortmüsste. Es ist unglaublich, wie lange wir uns jetzt schon mit diesem Franzosenpack herumärgern.“

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