Die Friesenrose
verhältst dich wie ein ungezogenes Kind. Ich werde mit dir kommen, aber erst nachdem ich mit Inken gesprochen und mich ausgiebig von Tjalda und ihr verabschiedet habe. Du kannst derweil zum Schiff zurückkehren und mich ankündigen.“
„Nein, Cirk“ – Lucias Stimme bebte gekünstelt – „ich werde nicht mehr von deiner Seite weichen.“
Erneut schüttelte Cirk leise stöhnend den Kopf, und wieder suchte sein Blick den von Inken. Leise rief er sie beim Namen, doch sie reagierte nicht. Zu erschütternd war die Vorstellung, die sich mehr und mehr in ihrem Kopf breitmachte.
„Nun denn.“ Ratlos wandte Cirk sich an Tjalda. „Es riecht fantastisch hier, und wenn ich nicht auf dem Weg bis zum Hafen umfallen möchte, muss ich etwas essen. Könntest du es einem hungrigen Wolf nachsehen, wenn er sich ohne Anstand und in größter Eile über deine Leckereien hermacht?“
Tjalda nickte ihm zu. Ihr Blick blieb an Lucia hängen, doch dann straffte sie die Schultern und begann, die Speisen auf den Tisch zu bringen.
Lucia lehnte verächtlich ab, während Cirk sich von allem, was Tjalda zubereitet hatte, reichlich nahm. Inken brachte dagegen kaum einen Bissen hinunter.
Sie hatte ihre Gefühle nicht unter Kontrolle und wollte auf keinen Fall, dass Cirk oder die Engländerin etwas davon bemerkten. In ihrem Inneren wechselten Wut und Verzweiflung einander ab. So hatte sie sich den Abschied nicht vorgestellt! So durfte es einfach nicht enden! Nicht nach den Tagen auf der Insel! Cirk konnte jetzt nicht einfach essen, aufstehen und an Lucias Seite davongehen! An Lucias Seite! Was hatte es mit dieser Engländerin auf sich? Warum schmiss sie sich Cirk an den Hals, als ob sie ein Recht dazu hätte? War da etwa etwas zwischen ihnen gewesen, als Cirk vor wenigen Monaten einige Tage bei seinem Freund verbracht hatte? Lucia hatte versucht, mit ihm anzubandeln, das hatte Cirk ihr selbst erzählt. Und dann war da an ihrem letzten Abend auf der Insel noch etwas gewesen. Inken runzelte nachdenklich die Stirn. Cirk hatte von Taten gesprochen, die ihn reuten und die ihre Liebe zu ihm vielleicht erschüttern könnten. Inken straffte die Schultern. Nein, eine verflossene Liebschaft konnte ihren Gefühlen nichts anhaben. Davon würde ihr Glück nicht zerstört werden, denn sie gehörte der Vergangenheit an. Doch wider alle Vernunft machte sich Enttäuschung in Inken breit, und es fiel ihr schwer, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Weder schmeckte sie, was sie aß, noch nahm sie Tjaldas Bemühungen wahr, ein Gespräch in Gang zu bringen.
Die Geldhändlerin ignorierte Lucia völlig. „Cirk, ich möchte noch einmal auf Reemt Neehus zurückkommen. Dein Freund sollte sich lieber vor ihm hüten. Er ist ein übler Zeitgenosse. Wollte vor Jahren Geschäfte mit mir machen, als er noch nicht so reich war. Als ich jedoch erfuhr, dass er einen Großteil seines Vermögens aus dem Unglück der armen Mädchen am Hafen zieht, habe ich jegliche Geschäftsverbindungzu ihm abgebrochen. Tja, das hat dieser Kerl mir nie verziehen. Seitdem hat er immer wieder versucht, mir Steine in den Weg zu legen. Doch zum Glück war ich bislang in keinster Weise auf ihn angewiesen und konnte über seine kleinen Lumpereien nur lachen.“
Cirk nickte Tjalda bestätigend zu. „Thomas ist weiß Gott nicht scharf auf Neehus’ Gesellschaft. Warum seine Mutter ihn geheiratet hat, kann ich nicht sagen. Thomas wollte auf diesbezügliche Fragen nie näher eingehen. Er deutete nur einmal an, dass sie zu dieser Heirat förmlich gezwungen wurde.“
Lucia, die bisher geschwiegen hatte, warf nun mit einer erregten Geste ihr Haar nach hinten und blickte Cirk ins Gesicht. „Ein Idiot ist Reemt Neehus. Er glaubte, unsere Mutter kaufen zu können, doch er hat sich geirrt.“ Sie lachte bitter. „Er war ihr nur Mittel zum Zweck. Es führte kein Weg an Reemt Neehus vorbei, darum hat sie ihn geheiratet!“
Härte lag in Lucias letzten Worten, aber selbst Cirks fragender Blick brachte sie nicht dazu, näher darauf einzugehen. Stattdessen versank sie wieder in ihre schweigende Arroganz.
Als Tjalda sich erhob, um das Geschirr in die Küche zu tragen, wollte Inken ihr folgen. Doch Cirk nahm sie zur Seite. „Warte, ich muss mit dir reden, Inken.“
Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen, aus Angst, ihre Vermutung darin bestätigt zu finden. Cirk ergriff ihre Hand und zog sie in den angrenzenden Raum. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte sie, dass Lucia ihnen folgte. Inken meinte
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