Die Friesenrose
Cirk im Morgenlicht sein Tun bereuen könnte. Doch dem schien nicht so zu sein. Er kam auf Inken zu, setzte sich neben sie auf die Bank und nahm sie vor Tjalda in die Arme.
„Das wollte ich schon tun, seit der Regen mich geweckt hat. Ich musste mich einfach davon überzeugen, dass es kein Traum war!“ Er lachte glücklich.
Inken presste, von ihren Gefühlen überwältigt, einen Augenblick ihre Stirn gegen sein Brust, bis ihr Atem wieder frei kam und sie klar sehen konnte.
„Ach, Kinder.“ Mit einem liebevollen Blick bedachte Tjalda die beiden. „Ich habe es so gehofft! Ihr hättet mir keine größere Freude machen können.“
Dann war sie mit einem Satz an der Tür. „Mein Gefühl sagt mir, dass es besser ist, euch eine kleine Weile alleine zu lassen.Das Frühstück kann getrost noch warten, nicht wahr.“ Und schon war sie verschwunden.
Weder Cirk noch Inken blickten ihr nach. Sie hatten nur noch Augen für einander. Inkens Hand lag mit der Innenfläche nach oben auf einem der Kissen. Ihre Finger waren eiskalt. Cirk legte seine Hand darauf. Die Berührung gab ihr Wärme und ließ sie trotzdem erschauern. Sie brauchte diese Wärme, sie brauchte seine Nähe. Das war ihr seit der letzten Nacht klar. Wie sollte sie nur aushalten, dass Cirk bald wieder fortmusste? Tränen stiegen in ihr auf, und sie umfasste Cirks Handgelenk so fest sie konnte.
„Ich liebe dich“, sagte Inken erneut wie von selbst, und ihre Stimme klang fremd und zittrig. Sie tat einen tiefen Atemzug und drängte die Tränen zurück.
Cirk lächelte ihr zu. „Ich liebe dich auch, Inken. Vom ersten Moment unserer Begegnung an war das so. Ich konnte an nichts anderes mehr denken als an dich, aber das weißt du ja.“
Inken lächelte glücklich. „Mir ging es genauso, nur wollte ich es am Anfang nicht wahrhaben. Sobald du in meiner Nähe warst, bekamen alle Dinge eine andere Farbe. Selbst die dunkelsten Zeiten im Moor konnte ich mit dem Gedanken an dich schöner färben. Aber ich habe mich lange dagegen gesträubt, meine Gefühle für dich als Liebe zu bezeichnen.“
Cirk presste Inken so eng an sich, dass sie das Klopfen seines Herzens spüren konnte. Ihr Gesicht lehnte an seiner Schulter. Wortlos, saßen sie so lange eng umschlungen in ihrer eigenen Welt, während die Regentropfen gegen die Scheiben prasselten.
„Was soll nun werden, Cirk?“, fragte Inken schließlich.
„Wie meinst du das?“ Er schob sie ein wenig von sich.
„Was werden wir nun tun?“
„Uns lieben.“ Er streichelte ihre Wange.
Inken seufzte. „Wenn du nur nicht wieder in den Kampf ziehen müsstest!“ Nun war es heraus.
„Ich möchte es auch nicht, aber leider führt kein Weg daran vorbei. Vier ganze Tage bleiben uns noch bis dahin.“
Vier Tage! Inken schloss die Augen und wusste nicht, ob sie froh oder traurig über diese Frist sein sollte. „Dieser Krieg nimmt und nimmt kein Ende!“
„Doch, er wird ein Ende haben. Vielleicht müssen wir ihm sogar dankbar sein.“ Cirk strich ihr über das Haar. „Der Krieg hat uns schließlich zusammengebracht.“
„Oh nein!“ Inken schüttelte den Kopf. „Wir hätten uns auch ohne ihn kennen gelernt. Irgendwann. Irgendwo. Dessen bin ich mir ganz sicher.“ Sie war plötzlich voller Angst um ihn. „Wann wirst du zurückkommen?“
„Wenn die Franzosen vertrieben sind. Und dann werde ich nie wieder von dir fortgehen.“
„Versprichst du mir das?“ Inken wusste nicht, was sie dazu trieb, ihm dieses Versprechen abzunehmen.
„Wenn es dir hilft zu wissen, dass ich dich niemals wieder verlasse und dass ich dich unendlich liebe, gerne.“ Cirk zog sie wieder enger an sich.
„Ja, das wird es.“ Doch schon während sie die Worte aussprach, wusste Inken, dass es nur ein schwacher Trost sein würde.
Die Tür ging auf, und Tjalda lugte vorsichtig herein. „Entschuldigung, aber mir ist da gerade ein grandioser Einfall gekommen.“ Aufgeregt blickte sie zuerst Cirk und dann Inken an. „Cirk, du musst doch sicherlich nicht gleich morgen wieder in den Kampf ziehen, oder?“
Cirk schüttelte den Kopf. „Vier Tage dauert es, bis alles bereitist für den Einsatz. Vier Tage, an denen ich sozusagen Heimaturlaub habe.“ Er verzog das Gesicht.
„Oh, das ist sehr gut.“ Tjalda bewegte nachdenklich den Kopf. „Mir ist da so eine Idee gekommen. Ich habe dir doch von dem kleinen Häuschen auf Norderney erzählt, oder?“
Cirk nickte. „Du hast es dir vor Jahren gekauft, um einen Zufluchtsort zu haben, einen Ort,
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