Die Friesenrose
ist doch noch dieser Lagerraum neben der Küche im Untergeschoss. Warum richtet ihr ihn nicht ein wenig her, so dass wir Männer dort den Wein einnehmen können? Die Frauen meiner Kunden könnten sich mit euch in die Kruiderrie zurückziehen. Ein schön gedeckter Tisch, Kuchen und dazu deinen wirklich vorzüglichen Tee, Sumi, der, im Vertrauen gesagt, noch besser ist als jeder Wein, den ich anzubieten habe. Was haltet ihr davon, Mädchen?“
Die Frauen hatten ihm mit offenen Mündern zugehört, und nun sprachen sie alle durcheinander.
„Meinst du, sie würden wirklich kommen?“, zweifelte Inken.
„Aber gewiss doch! Die Frau des Bürgermeisters ist mir noch einen Gefallen schuldig. Weißt du, ich habe ihren Mann erst vor Kurzem wieder einmal sturzbetrunken bei ihr abgeliefert. Er kam aus einem der ...“ Er stockte für einen Moment. „Er hatte sich wohl eine nette Begleitung für den Abend gesucht und war für einige Stunden mit ihr abgetaucht“, rettete Bonné sich schließlich. „Das kommt nicht so selten vor, wie man meinen sollte, und seine Frau bedient sich meiner Person dann immer, um ihn wieder aus dem Etablissement nachHause zu holen.“ Verlegen schaute er die Frauen an. „Das geht schon seit einigen Jahren so, und ich bitte euch, mit niemandem darüber zu reden.“
Für einen Augenblick herrschte verblüfftes Schweigen, und Bonné setzte seine Erklärung betreten fort: „Nun, ihr seht, wenn ich die Frau Bürgermeister um diesen Gefallen bitte, wird sie gerne kommen. Und sie ist die Leitstute, der alle anderen folgen werden.“
„Das ist ja wohl ...“, setzte Tjalda an, doch dann sprang sie plötzlich auf, als ob ihr erst jetzt die ganze Tragweite des Gesagten bewusst wurde, und umarmte den Weinhändler. „Bonné, du bist unsere Rettung! Und über den Bürgermeister will ich gar nicht weiter nachdenken. Ist das nicht eine großartige Idee?“ Beifall suchend blickte sie zu Sumi und Inken.
Diese nickten sprachlos. Bonné genoss indessen sichtlich die Aufmerksamkeit, die er hervorgerufen hatte, und machte ein verklärtes Gesicht.
„Und nun darf ich euch doch sicherlich noch Wein einschenken“, mutmaßte er. Die Frauen hielten ihm ihre Gläser entgegen.
„Auf Bonné!“, rief Tjalda, „unseren Retter in der Not. Jetzt glaube ich daran, dass der Laden doch noch ein Erfolg wird. Ich werde mich darum kümmern, meine Freunde, dass über die Wein- und Teeprobe – denn so wollen wir sie nennen – auch in der Zeitung berichtet wird. Und nun lasst uns überlegen, mit welchem Speck wir die Emder Hausfrauen fangen können, wenn sie denn erst mal ihren Fuß in die Kruiderrie gesetzt haben.“
Es wurde eine lange Nacht, denn die Weinprobe sollte in vierzehn Tagen stattfinden, und bis dahin gab es noch viel zu regeln. Wie konnte der Nebenraum geschmackvoll gestaltetwerden? Woher waren Tische und Stühle zu bekommen? Sollten sie den Nebenraum, der bisher eher stiefmütterlich behandelt worden war, ebenfalls noch renovieren?
Tjalda wollte gerade ihren Wein trinken, als letztere Frage in den Raum gestellt wurde. Abrupt stellte sie das Glas wieder ab.
„Ich hab’s!“ Ihre Stimme klang triumphierend. „Ich weiß jetzt, womit wir die Emderinnen fangen! Nicht nur die Bürgermeisterin und ihre bissigen Gänse.“ Sie warf Bonné einen amüsierten Blick zu. „Da gibt es etwas, nach dem sich alle Frauen sehnen. Ihr könnt es ihnen bieten und euch damit von allen anderen Händlern unterscheiden.“
„Was meinst du?“, fragte Inken neugierig.
„Ratet mal: Die Männer haben einen eigenen Bereich, der nur ihnen vorbehalten ist. Einen Ort, wo sie sich mit ihresgleichen amüsieren und für eine Weile von Frau und Kindern befreit sind.“
„Die Kneipen“, unterbrach Inken sie. „Wir Frauen sind dort ja wirklich nicht gerade gern gesehen.“
„Richtig“, lobte Tjalda. „Aber wo ist die kleine Nische der Ruhe und Ungestörtheit für Frauen? Zu Hause? Nein, denn dort fordern Männer, Kinder und Arbeit ihr Recht. In der Kirche auch nicht – da ist es der Pfarrer, dem sie lauschen müssen. Wo also finden Frauen Freiraum für sich in ihrem Leben? Und das ist es! Wir müssen solch einen Ort schaffen. Ich habe von den Matrosen englischer Schiffe gehört, dass es so genannte Teestuben in ihrer Heimat gibt. Räumlichkeiten, in denen Frauen in ruhiger und angenehmer Atmosphäre unter sich sein können. Alles ist aufgeräumt, alles ist hübsch anzuschauen, und für einen Augenblick können die Frauen dem
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