Die Friesenrose
Alltag entfliehen, alle Verantwortung abstreifen, sich bedienen lassen und entspannen. Der Tee hilft ihnen dabei – duweißt es, Sumi. Wie wäre das? Wollen wir nicht den Lagerraum zu einer Teestube umbauen?“
„Ja!“, rief Inken, „das ist es! Und bei ihrem ersten Besuch wird jede Kundin zu Tee und Kuchen eingeladen. Mit Speck fängt man Mäuse!“
Aufgeregt schmiedeten die Frauen Pläne, und Bonné sah mit zufriedenem Gesicht zu.
Er schmunzelte in sich hinein. „Da bedarf es also doch eines Mannes, um das Geschäftliche ins Rollen zu bringen“, stellte er zufrieden fest.
Sumi und Inken lachten, doch Tjalda wies ihm scheinbar erbost die Faust.
Als für einen kurzen Moment Ruhe eintrat, hob Bonné sein Glas der Chinesin entgegen. „Meine liebe Sumi, wenn du nicht gewesen wärst, dann wären diese beiden munteren Damen“ – er prostete zunächst Inken, dann Tjalda zu – „niemals auf den Gedanken gekommen, eine Kruiderrie, geschweige denn eine Teestube zu eröffnen. Ich bin ja nun kein fantasieloser Mensch, doch es will mir einfach nicht gelingen, mir einen Reim darauf zu machen, was eine Chinesin nach Emden verschlägt und warum sie an der Seite eines Holländers ihren Platz ausgerechnet in einer Kruiderrie gefunden hat. Magst du uns nicht ein wenig davon erzählen?“
Ein verschmitzter Ausdruck legte sich auf Inkens Gesicht. „Glaub mir, Bonné, weder deine noch meine Fantasie hätten ausgereicht, um sich Sumis Geschichte auszudenken. Weißt du, sie ist nämlich 1794 in einer Teekiste aus ihrer Heimat geflohen.“
Tjalda und Bonné stießen ungläubige Laute aus, doch Sumi nickte nur. Sie neigte den Kopf in Bonnés Richtung. „Sehr gerne erzählt diese nichtswürdige, wenngleich hocherfreute Chinesin ihren Freunden von den Schicksalspfaden,die sie hierher nach Emden führten.“ Und dann begann sie zu berichten. Von ihrer Liebe zu dem holländischen Teekoster und von ihrer Flucht aus China. Inken weidete sich lächelnd an den verblüfften Blicken von Tjalda und Bonné.
„Das ist ja unglaublich!“ Bonné schüttelte immer wieder den Kopf und machte große Augen. Seine Wangen waren vor Aufregung noch geröteter als sonst. „Du bist ja eine Heldin, Sumi! Und alles ist so wunderbar romantisch!“
Die Chinesin wand sich vor Verlegenheit, bis Tjalda sie erlöste. „Lass dich nicht von diesem Süßholzraspler aufhalten, Sumi, sondern erzähle lieber weiter. Da hat dich dein Willem also aufs Schiff geschmuggelt und du hast dich dort sicherlich erst einmal verstecken müssen, oder?“
„Ja.“ Sumi nickte. „Einige Tage lang, um sicherzugehen, dass man diese ungehorsame Chinesin nicht wieder in ihre Heimat zurückbrachte. Danach hat ihr Liebster sie dem Kapitän des Teehandelsschiffes, der Melissa , vorgestellt. Er kannte diesen Mann schon lange und wusste ihn einzuschätzen. Der Kapitän reagierte wohlwollend und verständnisvoll. Seine Augen ließen erkennen, dass ihm dieses Abenteuer gefiel. Vielleicht amüsierte es ihn aber auch nur, dass zwar niemand es schaffte etwas nach China hinein-, aber sehr wohl herauszuschmuggeln. Und noch dazu ein Holländer!
Meine geduldigen Zuhörer müssen wissen, dass besonders die Holländer stets erbost darüber waren, dass ihr Wort in China nichts galt und sie sich in allem den Co-Hongs , den chinesischen Kaufleuten, fügen mussten. Anders als der Kapitän beäugte die Schiffsbesatzung diese ungehorsame Frau aber eher misstrauisch. Die Männer verstanden nicht, wie einer der ihren sich in eine Chinesin verlieben konnte. Ihre Blicke taten es kund und kränkten diese Chinesin, doch sie war viel zu glücklich, um sich ernsthaft daran zu stören. Eswar so wunderbar, an der Seite des geliebten Mannes in seine Heimat zu reisen. Dies würde seine letzte lange Reise sein, so versprach er, damit nichts und niemand ihn mehr von seiner Liebe trennen möge. Und so geschah es auch.“ Sumi legte die Hände aneinander und verneigte sich ganz leicht. Eine Geste, die ihrem verstorbenen Mann galt. „Später zeigte sich, dass es für diese Frau ein Geschenk der Götter war, in der für sie so fremden Welt nicht alleine zu sein. Aber während der Schiffsreise wusste diese hoffnungsvolle Chinesin noch nicht, was sie erwartete. Vielleicht hätten die Reaktionen der Schiffsbesatzung sie klüger machen sollen.“ Ein Anflug von Traurigkeit huschte über Sumis Gesicht.
Inken versuchte sie abzulenken: „Wie war eigentlich die Reise, Sumi? Hast du sie genossen? Man sagt, selbst
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