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Die Friesenrose

Die Friesenrose

Titel: Die Friesenrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Oltmanns
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müssen irgendwie auf uns aufmerksam machen.“
    Als daraufhin tatsächlich eine Kundin vorsichtig die Tür geöffnet hatte, war Inken zunächst wie erstarrt gewesen, danach hatte sie sich förmlich auf die ältere Frau gestürzt. Diese, in Verlegenheit geraten durch so viel Aufmerksamkeit, war, mit Zucker und Mehl beladen, fast fluchtartig wieder verschwunden.
    Von Bonné Behrends, dem Weinhändler, und einigen anderen mit Tjalda bekannten Leuten einmal abgesehen, hatte sich auch nach drei Tagen kaum jemand in die Kruiderrie verirrt.
    Am Abend des vierten Tages waren die Frauen dann bei Tjalda zusammengekommen, um Kriegsrat zu halten.
    Inken und Sumi saßen der Geldhändlerin gegenüber, und ihre enttäuschten Gesichter sprachen Bände.
    Sumi legte die Hände aneinander und blickte zu Boden. „Die Ostfriesen werden dieser traurigen Frau niemals erlauben, einen Weg in ihre Herzen zu finden. Dabei wünscht sie es sich so sehr.“
    Tjalda strich ihr sanft über den Arm. „Du hast unsere Herzen schon längst erobert, Sumi. Die anderen kennen dich nur noch nicht.“
    Ungläubig schüttelte die Chinesin den Kopf. „Es ist alles aus, kaum dass es richtig angefangen hat.“ Mit hängenden Schultern saß sie da. „Die Kunden werden nicht kommen, und wir werden uns fügen müssen. In China sagt man:
    Es ist sinnlos, einen Plan auch dann noch zu verfolgen, wenn er zum Scheitern verurteilt ist .
    Wenn die Wirklichkeit alle Hoffnungen zunichte macht, wenn der Spiegel zerbrochen ist und das Schiff kentert, opfert man die Träume!
    Diese unglückliche Frau wird den Traum ihres geliebten Mannes opfern müssen.“
    „Nein!“ Inken richtete sich kerzengrade auf. „Wir werden unsere Träume nicht aufgeben. Die Ostfriesen würden den chinesischen Worten noch einige hinzufügen:
    ... opfert man die Träume!
    Und fegt die Scherben zusammen, um erneut Segel zu setzen!
    Und genau das werden wir tun, Sumi. Wir werden herausfinden, warum die Kunden ausbleiben, und alles daransetzen, sie doch noch für uns zu gewinnen.“ Sie schloss für einen Moment die Augen. „Mal überlegen. Vielleicht liegt es an mir. Mich kennt hier niemand, und wer, außer dir, Tjalda, traut schon zwei Frauen zu, ein Handelsgeschäft zu betreiben. Sie glauben nicht an uns und an den Bestand des Ladens. Und warum sollten die Emder Frauen auch nur einen Fuß in unsere Kruiderrie setzen – außer aus Neugier vielleicht –, wenn sie ihre Kaufgewohnheiten durch die ansässigen Geschäfte ausreichend befriedigt sehen?“
    „Hach, diese Weiber könnten euch doch wenigstens eine Chance geben!“ Wut und Unverständnis sprachen aus Tjaldas Worten.
    „Warum sollten sie?“ Inken biss sich auf die Lippen und wiederholte nachdenklich und langsam den letzen Satz. „Ja, warum sollten sie eigentlich?“ Dann sprang sie auf. „Das ist es! Wir müssen den Frauen aus Emden etwas bieten, das es nirgendwo sonst gibt. Etwas, das sie unbedingt haben wollen.“
    „Ja“, überlegte Tjalda, „ihr müsstet euch unterscheiden von den anderen Kaufleuten. Ihr müsstet die Frauen mitetwas anlocken, mit etwas Einzigartigem, etwas Einmaligem.“ Tjalda holte tief Luft. „Aber selbst dann würden sie immer noch nicht bei euch kaufen.“
    „Warum nicht?“ Inken blickte sie verwirrt an.
    „Sie kaufen nicht bei euch, weil niemand es tut! Weil kein Mensch, den sie kennen, bislang einen Fuß in euer Geschäft gesetzt hat. Sie handeln nach dem Herdenprinzip. Ein Schaf tut nur das, was die anderen auch machen. Wenn sich nur eine bekannte Persönlichkeit ein einziges Mal zu euch verirren würde, wäre der Weg auch für die anderen Frauen frei. Ihr könntet sie bei der Neugier packen, ihnen etwas Einzigartiges bieten, was sie anderswo nicht bekommen – was immer das auch sein mag!“
    Für einen Augenblick war es still. Die Frauen dachten fieberhaft nach, bis sie ein Klopfen an der Tür in ihren Gedanken unterbrach. Unwillig öffnete Tjalda.
    „Ach, du bist es nur.“ Eher widerwillig ließ sie Bonné Behrends, den Weinhändler, eintreten. Bonné war um die sechzig und von kleiner Gestalt. Mit seiner Knollennase, den kleinen schwarzen Augen, die fast völlig in seinem fleischigen Gesicht verschwanden, erinnerte er stark an einen Waldgnom. Der Haarkranz um Bonnés sonst kahlen Kopf ließ ihn dagegen eher wie einen Heiligen wirken. Der dunkle Anzug umgab seinen dicklichen Körper wie eine Wurstpelle, und trotz der abendlichen Kühle rann ihm der Schweiß aus allen Poren. Und zu allem

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