Die Frucht des Bösen
Sie zuletzt von ihr empfohlen worden?»
«Das weiß ich wirklich nicht mehr. So genau halte ich das nicht fest», entgegnete Lightfoot. D. D. beäugte ihn mit kritischem Blick.
Von nahem sah sie, dass er schwarze Ränder unter den Augen hatte, was in seinem gebräunten Gesicht kaum auffiel. Offenbar war sie nicht die Einzige, die ein bisschen Vitamin D brauchen konnte.
«Haben Sie eine lange Nacht hinter sich?», fragte sie.
Er zögerte. «Seit Ihrem Besuch bei mir zu Hause bin ich keine Nacht mehr zeitig ins Bett gekommen. Ich wollte mir ein paar Tage freinehmen, aber das ist nicht drin.»
«Warum nicht?»
Er wandte sich dem Fenster zu und schien die Sonne zu studieren. Zu ihrer Verwunderung bemerkte sie, dass er ein wenig zitterte. Er hatte immer noch Gänsehaut auf den Armen.
«Die letzten beiden Nächte habe ich in spirituellen Zwischensphären zugebracht», sagte er schließlich. «Wie ich Ihnen schon am Telefon zu erklären versucht habe, droht Unheil. Ich kann es fühlen. ‹Eine Dunkelheit, die tiefer ist als die Nacht.› Haben Sie diesen Ausdruck schon einmal gehört?»
D. D. nickte und ließ ihn nicht aus den Augen.
«Bislang habe ich nichts damit anzufangen gewusst. Jetzt aber wohl. Da draußen braut sich etwas Schreckliches zusammen. Womöglich ist es schon hier im Haus.» Plötzlich streckte Lightfoot die Hand aus und berührte ihre Wange.
Unwillkürlich zuckte sie zusammen. Lightfoots Finger waren eiskalt, so kalt, dass ihre Haut unter seiner Berührung zu brennen schien. Sie wich einen Schritt zurück.
Er nickte. «Ja, negative Energie fühlt sich kalt an. Meine Heilkräfte sind weit entwickelt. Ich müsste eigentlich in der Lage sein, die Kälte zu bezwingen und meine Hände wieder warm werden zu lassen. Aber seit ich diese Station betreten habe, gelingt mir das nicht. Etwas Böses herrscht hier; es wurzelt in Lucys Zimmer, hat sich aber schon über das gesamte Stockwerk ausgebreitet. Eine kalte, unheilvolle Kraft. Eine Dunkelheit tiefer als die Nacht. Lucy ist ihr zum Opfer gefallen. Und ich fürchte, auch wir sind davon bedroht. Deshalb habe ich Sie gebeten, das Zimmer zu verlassen und in die Sonne zu gehen.»
«Sie glauben allen Ernstes, Lucy sei einer teuflischen Macht zum Opfer gefallen?»
«Ich bin müde», sagte Lightfoot, als sei das eine wichtige Information zum besseren Verständnis. «Ich habe Nacht für Nacht jede Menge Kraft in den Zwischensphären verausgabt. Die Heilexerzitien, die ich tagsüber leite, sind auch nicht ohne. Und nun muss ich zu läutern versuchen, was diese Station vergiftet. Ich bin erschöpft. Nicht ganz auf der Höhe. Tut mir leid, dass ich Sie nicht besser schützen kann.»
«Wie bitte?», fragte D. D. und schaute sich um.
«Sie sind wütend», fuhr Lightfoot fort. «Sie sind verletzt. Unter günstigeren Umständen könnte ich Ihnen helfen, Ihre Mitte zu finden und Ihre Schutzkräfte zu aktivieren. Aber nicht heute Nachmittag.»
«Okay.» D. D. versuchte, den Wunderheiler wieder auf Kurs zu bringen. «Erzählen Sie mir von Danielle Burton. Sie sagten, ihr Schmerz stoße bei Ihnen auf Resonanz.»
«Es heißt, Ärzte seien die schlechtesten Patienten. Gleiches könnte man auch von Psychiatriekrankenschwestern behaupten. Ich kenne Danielle, seit sie hier auf der Station arbeitet, und würde ihr gern helfen. Leider ist sie ebenso skeptisch wie Sie.»
«Sie will sich nicht helfen lassen?»
Er zuckte mit den Achseln. «Aus diesem Grund bin ich bereit, mich mit Ihnen zu unterhalten. Danielle ist zwar keine Klientin, geschweige denn eine Freundin, bereitet mir aber trotzdem große Sorgen.»
«Warum?»
«Sie ist eine alte Seele», sagte Lightfoot, leicht weggetreten, wie es schien, und den Blick auf etwas gerichtet, das nur er sehen konnte. «Seit Jahrhunderten kehrt sie immer wieder auf diese Ebene zurück, vergeblich auf der Suche. Sie pflegt ihren Hass, müsste aber zu lieben lernen, um frei sein zu können.»
«Klingt wie die Zeile eines Songs, den ich mal gehört habe», erwiderte D. D. «Sprechen Sie von Reinkarnation?»
«Ich spreche von existenziellen Lektionen. Ihre Seele wird von dieser Ebene angezogen, um zu lernen, was sie zu lernen hat. Aber solange sie die wichtigsten Lektionen noch nicht begriffen hat, wird sie weiter daran arbeiten müssen. Leider sind auch andere Seelen involviert. Deren Erfahrungen sind mit ihren verwoben, und weil sich Danielle nicht voranbewegt, bleiben alle im Teufelskreis der Gewalt stecken. Ich habe ihr das
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