Die Frucht des Bösen
zu erklären versucht, aber …»
«Ihr Vater?», versuchte D. D. den Faden aufzugreifen.
«Das würde Sinn ergeben», sagte Lightfoot.
D. D. hielt inne. Interessante Antwort, dachte sie, und plötzlich wurde ihr klar, dass sich Lightfoot bei allem esoterischen Geschwafel sehr vorsichtig äußerte.
Dann ging ihr ein Licht auf: «Sie denken an Greg, den Sportlehrer, und machen sich Sorgen um seine Beziehung zu Danielle.»
«Er will sie, sie ihn aber nicht. Er sucht Liebe, sie wählt Hass. Und so laufen sie immer wieder aneinander vorbei.»
«Greg scheint ein anständiger Kerl zu sein», sagte D. D. ein wenig versöhnlich.
«Die beiden laufen aneinander vorbei», wiederholte Lightfoot müde und traurig.
D. D. betrachtete ihn. Der Wunderheiler machte keine Anstalten, das Schweigen zu brechen, und nach mehreren Minuten gab sie sich geschlagen.
«Wünschen Sie sich manchmal zurück?», fragte sie.
«Wohin?»
«In Ihr früheres Leben mit all seinen Annehmlichkeiten.»
«Überhaupt nicht.»
«Muss aber doch seinen Reiz gehabt haben, von schönen Frauen umgeben zu sein, jede Menge Geld zu verdienen und die Konkurrenz zu übertrumpfen.»
«Die Wall Street ist ein Kinderspielplatz. Ohne echte Wertschöpfung. Dort …» Er zeigte auf die offene Tür zu Lucys Zimmer. «Dort muss ich wirklich kämpfen, um gewinnen zu können.»
Und als wollte er den Beweis antreten, machte sich der Wunderheiler auf den Weg. Er blieb vor Lucys Zimmer kurz stehen. D. D. bemerkte erneut, wie er zitterte, als er eintrat.
Während Lightfoot wieder seinem spirituellen Läuterungsgeschäft nachging, informierte sich D. D. bei ihren Kollegen über den Stand der Dinge. Im Aufenthaltsraum traf sie dann auf die Stationsleiterin Karen Rober. Sie saß an einem der Tische neben einem kleinen Jungen, der fleißig in einer mit Fruchtsalat gefüllten Schale herummanschte. Als er aufblickte, erkannte D. D. in ihm einen der drei Amigos wieder, die sich während ihres ersten Besuchs auf der Station in ihren Tretautos ein Rennen geliefert hatten. An seinen Namen konnte sie sich nicht mehr erinnert.
«Willst du auch einen Löffel?», fragte der Junge, der unablässig seine Beine auf und ab schwingen ließ und mit dem Oberkörper vor und zurück wippte. Atemlos zählte er auf: «Banane, Erdbeeren, Stachelbeeren, Blaubeeren, vielleicht auch Weintrauben, aber keine Orangen. Die lassen sich nicht so gut platt stampfen.»
Mit einem Plastiklöffel machte er sich wieder an die Arbeit. D. D. glaubte, aus ihren Beobachtungen erste Schlüsse ziehen zu können. Erstens, solange der Junge am Tisch saß, stand er unter erheblichen Druck. Eine Handgranate, die darauf wartete, dass jemand den Stift zog.
Zweitens, er war nicht der Einzige. Zwei Kinder sausten auf Rollschuhen durch den Flur und versuchten, sich gegenseitig zum Stürzen zu bringen, während ein drittes Kind unter einem Tisch kauerte und seinen Kopf immer wieder auf den Boden schlug.
Wie wurde noch gleich das Umfeld dieser Station genannt? «Milieu.» D. D. war zwar keine Expertin, doch ihr schien, dass es in diesem Milieu heute besonders merkwürdig zuging.
Karen wurde auf den Jungen aufmerksam, der seinen Kopf malträtierte. «Jamal», rief sie. «Hör auf damit. Komm her, zu Benny und mir. Benny macht gerade Fruchtmus. Willst du mal probieren?»
«Essen essen essen essen essen»,
trällerte Benny und reichte Karen den gefüllten Löffel.
Sie ließ sich tatsächlich füttern und lächelte dankbar.
«Essen essen essen essen essen.»
Fasziniert sah D. D. zu, wie Karen den Papp schluckte, ohne eine Miene zu verziehen. Benny klatschte übermütig in die Hände, während Jamal unter dem Tisch hervorkroch und sich zu den beiden gesellte.
Mit ein paar routinierten Handgriffen hatte Karen ihn mit eigenen Zutaten versorgt, und der Kleine manschte fröhlich darauflos. Dann rief sie einen Mitarbeiter, um sich ablösen zu lassen, und kam auf D. D. zu, die im Flur auf sie wartete.
«Ich weiß nicht, wie viel Sie verdienen, aber es ist mit Sicherheit zu wenig», sagte D. D.
Die Stationsleiterin lächelte. «Ach, glauben Sie mir, ich bin schon weniger liebevoll gefüttert worden.»
«Sie haben tatsächlich geschluckt, was Ihnen der Knabe angeboten hat. Man könnte doch auch nur so tun.»
«Haben Sie Kinder, Sergeant?»
«Nein.»
«Nun, wenn Sie dann irgendwann einmal welche haben sollten, werden Sie das verstehen.»
Abweisend und kurz angebunden. D. D. machte sich auf einen
Weitere Kostenlose Bücher