Die Frucht des Bösen
gleichzeitig Medikamente zu sparen. Das muss doch allen ganz gut gefallen.»
Die Schwester schwieg. D. D. wagte sich noch ein Stück weiter vor. «Schlafen Sie mit ihm?»
«Mein Mann hätte was dagegen.»
«Er muss ja nicht Bescheid wissen.»
«Mein Gewissen verbietet es mir, fremdzugehen.» Karen schüttelte den Kopf. «Ich kann verstehen, dass Sie Andrew gegenüber skeptisch sind. Wie schon gesagt: Auch ich hatte Bedenken, nicht zuletzt seines guten Aussehens und seines Hintergrundes wegen. Aber wenn Sie ihn einmal erleben würden, wie er mit den Kindern umgeht … Wirklich zartfühlend und beeindruckend geduldig. Er beruhigt sie nicht nur, sondern bringt ihnen auch bei, wie sie sich selber beruhigen können. Nicht, dass ich seinen Methoden vorbehaltlos zustimmen würde, doch vor den Resultaten habe ich Respekt.»
D. D. sträubte sich innerlich. «Was ist mit den anderen Mitarbeitern? Danielle zum Beispiel? Andrew sieht gut aus. Sie ist jung und hübsch.»
«Unterhalten Sie sich mit ihr.»
«Sie hat selber jede Menge Probleme», bemerkte D. D.
Karen ging darauf nicht ein.
«Ich meine», fuhr D. D. im Plauderton fort, «ihr Vater hat Frau und Kinder abgeschlachtet und nur seine Jüngste verschont. Eine grausame Bürde für sie. Und jetzt arbeitet sie auf einer Station für gewalttätige Kinder. Es scheint, dass sie ein solch dramatisches ‹Milieu› braucht.»
Karen schwieg immer noch. Doch dann sagte sie plötzlich: «Haben Sie das nicht auch bei der Polizei, Kollegen aus einer langen Tradition von Polizeiarbeit, Söhne, Töchter, Nichten, Neffen anderer Polizisten?»
«Allerdings.»
«Bei uns verhält es sich wahrscheinlich ähnlich. Wenn man lange genug gräbt, wird man von der Mehrheit unserer Mitarbeiter Geschichten zu hören bekommen, die einem das Herz brechen. Dass sie selbst nicht glücklich aufgewachsen sind, motiviert sie, anderen Kindern jene Liebe und Aufmerksamkeit angedeihen zu lassen, die ihnen selbst vorenthalten blieb. Danielle ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme auf unserer Station. Wohl eher die Regel.»
«Wirklich? Und welche Geschichte hat Greg zu erzählen?»
«Greg?» Die Stationsleiterin schien überrascht, ausgerechnet diesen Namen zu hören. «Ich weiß nicht, ob er eine ähnlich traurige Geschichte hat. Er spricht nicht über persönliche Dinge.»
«Seit wann arbeitet er hier?»
«Seit fünf Jahren.»
«Gab es jemals Beschwerden? Irgendwelche Probleme?»
«Fehlanzeige», antwortete Karen entschieden. «Er ist ruhig, gewissenhaft und vorbildlich im Umgang mit den Kindern. Sowohl Erwachsene als auch Kinder schätzen ihn, was man nicht über jeden unserer Mitarbeiter sagen kann.»
«Erwachsene?», fragte D. D. nach.
«Eltern. Manche unserer …» Karen stockte. «Mitarbeiter, die einen guten Draht zu bestimmten Kindern haben, pflegen natürlich auch Kontakt zu den jeweiligen Eltern. Leider finden sie zu denen manchmal keinen guten Zugang.»
D. D. dachte darüber nach. Sportlehrer Greg war ein gutaussehender Mann. Kräftig und top in Form. Sie konnte sich vorstellen, dass manche Mutter ganz schnell einen guten Draht zu ihm hatte.
«Wie wird man Milieu-Councelor?», fragte sie und holte ihren Spiralblock aus der Tasche, um sich Notizen zu machen. «Muss man eine Ausbildung absolvieren und Prüfungen ablegen?» Im Stillen nahm sie sich vor, Phil mit entsprechenden Nachforschungen zu beauftragen.
Karen schüttelte den Kopf. «Unser Stationspersonal – also die Krankenschwestern und Pfleger – sind natürlich speziell geschult. Von den MC s wird lediglich verlangt, dass sie einen Highschool-Abschluss haben und jede Menge Energie und Kreativität für ihre Arbeit mitbringen.»
«Sie machen Scherze, oder? Ihr Personal besteht in der Hauptsache aus MC s, und Sie sagen mir, dass sie keine besondere Ausbildung haben?»
Karen schaute sie an. «Sergeant, was für ein Lehrplan könnte sie wohl auf die Arbeit mit unseren Kindern vorbereiten?»
Guter Einwand. «Hat Greg Familie?», fragte D. D. stirnrunzelnd.
«Darüber spricht er nicht.»
«Eine Freundin?»
«Keine Ahnung.»
«Aber er hat ein Auge auf Danielle geworfen, stimmt’s?»
«Ich mische mich nicht in die persönlichen Angelegenheiten meines Personals ein», entgegnete Karen kühl.
«Wirklich nicht? Alle sprechen doch darüber. Greg sagt ja, Danielle sagt nein. Klingt sehr nach einem Flirt auf Kosten der Arbeitszeit. Das kann Ihnen doch nicht recht sein.»
«Mir ist kein einziges Mal aufgefallen,
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