Die Frucht des Bösen
ehrlich, du dachtest, ich wäre noch nicht zur Stelle, und hast darauf spekuliert, dich hier in aller Ruhe umsehen zu können.»
«Ertappt.»
«Und woher die Neugier?»
«Marihuana», antwortete er.
«Dealerei?»
«Und Schmuggel. Davon gehen wir jedenfalls aus.»
Sie krauste die Stirn und musterte ihn. «Du glaubst, hier hätten Revierkämpfe stattgefunden?»
«Um darauf eine Antwort zu finden, will ich mir den Tatort ansehen.»
«Hier wurde eine Familie ausgelöscht.»
«Wurde mir berichtet.»
«Ziemlich viele Tote für einen Marihuanakrieg», sagte D. D. «Methadon, vielleicht. Heroin, sicher. Aber wegen Gras …»
«Kann man in der Pfeife rauchen, ich weiß.» Insiderwitzchen. Cops. Über irgendwas mussten sie ja lachen.
«Na schön», sagte D. D. «Sieh dich um. Aber der Fall gehört mir.»
«Herzliches Beileid.»
D. D. kehrte ins Wohnzimmer zurück. Alex war nirgends zu sehen, hatte aber jede Menge gelbe Beweismittelschildchen hinterlassen. Sie hielt eine Hand vor die Nase und atmete vorsichtig durch den Mund. Weil der Würgereiz wieder einsetzte, kniff sie sich so fest sie konnte in den Unterarm. Der Schmerz war stärker als der Gestank. Glück für sie.
Bobby, der neben ihr stand, war still geworden. Als ehemaliger Polizeischarfschütze wusste er sich zurückzuhalten und trotzdem konzentriert zu bleiben, was D. D. immer an ihm geschätzt hatte. Jetzt spürte sie seine innere Anspannung. Er war entsetzt, aber wie jeder gute Cop durchaus in der Lage, seine Gefühle im Griff zu haben.
Inmitten des von Kakerlaken verseuchten Wohnzimmers stand eine braun-gold karierte Couch. Darauf hing ein toter weißer Mann, ein Möchtegern-Rastafari samt grün-gelb-roter Strickmütze. D. D. schätzte ihn auf Ende zwanzig, Anfang dreißig. Er hatte ein gutes Dutzend dicker Dreadlocks, zwei große, gebrochene Augen und ein kleines Einschussloch mitten auf der Stirn. Sein rechter Arm hing vom Sofa und zeigte auf den Boden. Unter den Fingern lag auf einer Tüte, in der weiß Gott was stecken mochte, eine Pistole mit kurzem Lauf. Eine . 22 er, wie D. D. zu erkennen glaubte.
«Nicht viel Blut», kommentierte Bobby.
«Ist wahrscheinlich ins Sofa gesickert», murmelte sie.
Ein zusammengeknülltes Papiertaschentuch, keine zwei Schritte von ihr entfernt, setzte sich plötzlich in Bewegung, und D. D. fragte sich, wie vieler Regelverstöße sie sich schuldig machte, wenn sie jetzt ihre Glock zöge und auf das abdrücken würde, was sich unter dem Taschentuch versteckte. Eine Kakerlake kroch hervor, hielt für eine Sekunde inne und schien die beiden zu beobachten. Jedenfalls zweifelte D. D. keinen Augenblick daran, dass dem so war. Dann ging das Vieh wieder seinen Käfergeschäften nach und verschwand unter einem anderen Abfallhaufen.
«Wenn ich wieder zu Hause bin, werde ich als Erstes ein Bad in Bleichmitteln nehmen», stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
«Nimm lieber Eukalyptusöl», empfahl Bobby. «Eine Verschlusskappe voll ins Badewasser. Wirkt immer … und die Haut wird schön weich davon», fügte er spröde hinzu.
D. D. schüttelte den Kopf. Sie kehrte Mr Dreadlocks den Rücken zu und machte sich mit einem Gefühl von Niedergeschlagenheit auf ihren Weg durch die Wohnung.
Die Frau war in der kleinen Küche gleich neben dem Wohnzimmer zusammengebrochen. In ihrem Rücken steckte ein Messer mit schwarzem, gebogenem Griff. Es gehörte offenbar zu dem Sortiment an Schneidewerkzeugen, die in einem Holzblock auf der Anrichte untergebracht waren. Die Blutspuren am klebrig schmutzigen Boden ließen darauf schließen, dass die Frau noch eine Weile gelebt und versucht hatte, sich auf den Ellbogen in Sicherheit zu bringen. Weit war sie nicht gekommen.
Es stank hier noch schlimmer als im Wohnzimmer. In der Spüle gammelten Essensreste vor sich hin, auf dem Tisch waren Milchpfützen sauer geworden, und in einer Ecke des Raums wucherten Schimmelpilze an der Wand. D. D. hatte schon einiges gesehen und gehört, konnte aber immer noch nicht glauben, dass es tatsächlich Menschen gab, die ihre Wohnung so verkommen ließen.
Neben der Küche befand sich ein kleines Badezimmer. Aus der Duschkabine quoll Müll, unter anderem mehrere Kunststoffbehälter, die mit einer gelben Flüssigkeit gefüllt waren. Was es damit auf sich hatte, ahnte D. D., als sie sah, dass die Toilette verstopft und offensichtlich nicht mehr zu gebrauchen war.
Von der Küche aus gelangte sie, von Bobby gefolgt, in den
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