Die Frucht des Bösen
der Name des Mannes, den Sie sprechen müssen. Wenn Sie wissen wollen, was mit Ozzie passiert ist, fragen Sie Andrew Lightfoot, dieses arrogante Miststück.»
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12 . Kapitel
Patrick Harrington starb um 22 : 37 Uhr. Als sie davon erfuhr, war D. D. stinksauer. Aber davon hatte der Tote auch nichts mehr.
Sie saß an ihrem Schreibtisch. Antwortete nicht auf Chips Anrufe. Dachte nicht an ein Abendessen mit Alex. Es war Freitagabend, und sie tat, womit sie so oft ihre Abende verbrachte. Sie las Berichte und versuchte zu verstehen, was sich am gestrigen Abend in Dorchester zugetragen hatte. Warum es fünf Tote gab.
Allen Indizien zum Trotz, hielt sie den Jungen für den Täter. Sie wusste selbst nicht, warum. Seine traurige Geschichte, die psychotischen Episoden. Dass er Eichhörnchen quälte und sich deren Blut von den Händen leckte. Für sie stand Ozzie Harrington an erster Stelle der denkbar kurzen Verdächtigenliste. Und sie hatte auch eine Idee, was das letzte Wort aus dem Mund seines Vaters bedeutet haben mochte. Vielleicht hatte er nicht «hussy» gesagt, wie die Krankenschwester behauptete, sondern «Ozzie».
Es war keine Verunglimpfung seiner Frau, sondern der letzte verzweifelte Versuch, den Namen des Schuldigen zu nennen.
All das kam ihr durchweg plausibel vor, bis sie sich noch einmal das Protokoll vom Tatort vornahm. Fakt: Der Täter musste größer als eins fünfundsechzig sein. Fakt: Ozzie hätte sich unmöglich im Schlafzimmer seiner Schwester die Kehle aufschlitzen und dann in die Loggia schleppen können. Fakt: Laut Auskunft von Danielle Burton hatte Ozzie in seinem ersten psychotischen Anfall das ganze Haus demoliert. Am Tatort waren aber keine Spuren blinder Zerstörungswut zu sehen gewesen. Alle Hinweise ließen darauf schließen, dass jemand systematisch ein Familienmitglied nach dem anderen umgebracht hatte.
Und das führte D. D. zurück auf Patrick Harrington, den fürsorglichen Ehemann und Vater, der dafür gesorgt hatte, dass seine Familie in einer besseren Nachbarschaft wohnen konnte. Der sich für seine zweite Ehe ins Zeug gelegt und zu den Kindern seiner Frau auch noch einen Problemfall ins Haus geholt hatte. Der dann seinen Job verloren hatte und mit den Renovierungsarbeiten in Verzug geraten war. Dann stellte sein Adoptivsohn zu allem Überfluss auch noch kleinen Nagetieren in der Nachbarschaft nach. Wahrscheinlich nahm der Druck, der auf ihm lastete, immer mehr zu, Wunsch und Wirklichkeit klafften immer weiter auseinander.
Er kann die Welt nicht verbessern? Dann verlässt er sie – und nimmt seine unschuldigen Schätzchen mit sich.
Dieser Logik konnte D. D. halbwegs folgen. Das würden wahrscheinlich auch die Geschworenen vor Gericht. Nur hatten sich Phil und Alex in den oberen beiden Etagen des Hauses der Harringtons umgesehen und festgestellt, dass die Renovierung fast abgeschlossen war. Daraufhin hatten sie den
Boston Globe
durchgeblättert und tatsächlich eine für heute, Freitag, geschaltete Anzeige gefunden, mit der zwei Wohnungen zur Miete angeboten wurden. Sollte Patrick tatsächlich all diese Vorkehrungen getroffen und sich am Ende doch gesagt haben:
Scheiß drauf, bevor ich auch nur ein Wochenende darauf warte, dass sich Interessenten melden, mache ich noch in dieser Nacht kurzen Prozess.
Totschlag im Affekt, versuchte ihr Alex einzureden. Totschlag im Affekt.
D. D. hatte Zweifel daran. Vor ihr lagen nicht weniger als acht Zeugenaussagen, die allesamt darin übereinstimmten, dass Patrick ein anständiger Kerl war. Wie konnte sich ein zuverlässiger Familienvater innerhalb weniger Minuten in einen wildwütigen Totschläger verwandeln?
Verdammt, sie hatte Hunger auf eine Peperoni-Pizza.
Nein, eigentlich wollte sie Sex. Am besten gleich hier auf dem Schreibtisch. Weg mit dem Papierkram. Hose runter, ihm, Alex, das gestärkte blaue Hemd vom Leib gerissen, und ab die Post. Sie schätzte ihn als jemanden ein, der geduldig und intensiv zugleich war. Das mochte sie, Geduld und Intensität. Sie mochte es, wenn kräftige Männerhände ihren Hintern gepackt hielten und sich ein fester, muskulöser Körper über sie hermachte.
Sie sehnte sich danach, zur Abwechslung einmal nicht Supercop Sergeant D. D. Warren zu sein, sondern schlicht und einfach Frau.
Tickte da eine biologische Uhr in ihr, die ihr Denken durcheinanderbrachte und ihre Arbeitsmoral korrumpierte?
Sie würde nicht heiraten, auch keine Kinder in die Welt setzen oder am Arbeitsplatz
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