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Die Frucht des Bösen

Die Frucht des Bösen

Titel: Die Frucht des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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nicht, wie ihm geschieht, und grinst verlegen angesichts der clownesken Vorstellung meines Sohnes. Von dessen Reaktion beflügelt, rennt Evan so lange Achten über den Spielplatz, bis der Kleine ihm folgt.
    Ich habe wie üblich meine Bedenken. Aber vielleicht wird Evan mit dem Jungen einfach nur spielen. Vielleicht werden sie Spaß aneinander haben. Es ist so wichtig für ihn, mit Kindern zusammen zu sein. Vielleicht lernt er, behutsam mit ihnen umzugehen. Vielleicht.
    Ich setze mich neben die andere Mutter auf die Bank, weil sie das wahrscheinlich von mir erwartet.
    «Guten Morgen», grüßt sie heiter, eine junge Frau noch, Anfang zwanzig, wie mir scheint. Sie hat ihre langen braunen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. «Damit habe ich gar nicht gerechnet, dass um diese Uhrzeit schon jemand in den Park kommt.»
    «Ich auch nicht», erwidere ich und setze ein entschiedenes Lächeln auf, das ihrem in etwa gleichkommt. Mit Verspätung strecke ich die Hand aus. «Ich bin Victoria. Das ist mein Sohn Evan.»
    «Becki», sagt sie. «Und das ist Ronald. Er ist drei.»
    «Evan ist acht.»
    «Wohl auch ein Frühaufsteher», lacht sie mit Blick auf meinen Jungen, der nun um die Rutsche herumrennt, inzwischen barfüßig. Die Flipflops hat er weggekickt. Ich frage mich, wann seine dunkelblaue Turnhose und das rote T-Shirt folgen werden.
    «Wir sind erst vor kurzem hierher gezogen», erklärt Becki. «Um genau zu sein, gestern Nachmittag. Wir haben noch nicht alle Betten aufgestellt, und die Klimaanlage muss auch erst noch installiert werden. Es war so heiß, dass wir um fünf beschlossen haben, nach draußen zu gehen. Solange es noch halbwegs kühl ist, kann er sich austoben. Hoffentlich ist er dann gleich so müde, dass er trotz der Hitze in der Wohnung schlafen kann.»
    Neben dem Spielplatz befindet sich ein von Bäumen umstandener Fußballplatz. Evan hat sich von dem Kleinen abgesetzt und rennt die weiße Grundlinie entlang. Ich erlaube mir, mich ein wenig zu entspannen, und trinke einen Schluck Kaffee.
    «Wo haben Sie vorher gewohnt?», frage ich Becki.
    «In North Carolina.»
    «Das erklärt Ihren hübschen Akzent», murmele ich gedankenlos, doch sie scheint es als Kompliment zu verstehen und lächelt. Mir drängt sich der Gedanke auf, dass Evan nicht der Einzige ist, dem es an Freunden mangelt. Ich habe keine Kollegen oder befreundeten Nachbarn, keinen Club oder Verein, und ich treffe mich auch nicht mit anderen Müttern. Zweimal in der Woche sehe ich eine Sozialarbeiterin und einmal in der Woche meine Tochter. Das sind meine sozialen Kontakte, mehr ist da nicht.
    Ich bin froh, dass es mir noch gelingt, mich mit jemandem zu unterhalten. «Was hat Sie nach Massachusetts verschlagen?», frage ich und halte Becki die Tüte mit den Bananen-Muffins hin. Sie zögert, nimmt dann aber einen.
    «Der Job meines Mannes. Er ist Ingenieur und wird alle paar Jahre versetzt.»
    «Sie können froh sein, in Cambridge gelandet zu sein», sage ich. «Eine gute Gegend für Familien. Es wird Ihnen hier gefallen.»
    «Danke», strahlt sie. «Um ehrlich zu sein, habe ich mich wegen der Universität für Cambridge entschieden. Ronnie ist jetzt drei, und ich hoffe, mein Studium fortsetzen zu können.»
    Ich werfe einen Blick auf Evan. Er ist am anderen Ende des Fußballplatzes und klettert im Tornetz. Ronald läuft ihm auf seinen kurzen Beinen nach.
    Becki ruft ihn zurück. Tatsächlich macht der Knirps gehorsam kehrt und wackelt auf das Klettergerüst zu. «Tut mir leid», sagt sie befangen. «Bin eine nervöse Mutter. Manchmal geht er mir durch. Deshalb habe ich’s nicht so gern, wenn er sich weit entfernt. Er ist zwar erst drei, aber schon ganz schön fix auf den Beinen.»
    «Verstehe», versichere ich. «Ich kann mit Evan schon längst nicht mehr mithalten. Die Kleinen bestehen ja offenbar nur aus Muskeln.»
    Sie nickt und knabbert an ihrem Muffin. «Haben Sie noch andere Kinder?», fragt sie.
    «Ja, eine Tochter», antworte ich. «Sie lebt bei ihrem Vater.»
    Becki schaut mich an, sagt aber nichts. Ich stelle die Tüte neben mir ab und hole die Dose mit den frischen Erdbeeren hervor.
    «Hätten Sie gern ein zweites Kind?», frage ich.
    «Oh ja. Sobald ich endlich meinen Abschluss habe. Ronnie war ein Versehen, ein schönes Versehen, für das ich dankbar bin. Dumm nur, dass ich mein Studium unterbrechen musste.»
    «Verstehe.» Evan tobt immer noch auf dem Fußballplatz herum. Ronnie hat das Klettergerüst erreicht. Ich biete Becki

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