Die Frucht des Bösen

ständig unter dem Einfluss widerstreitender Energien, vor allem nachts, wenn negative Kräfte besonders wirksam sind. Solche Kinder erscheinen labil, impulsiv, überreizt. Mal ist der kleine Johnny unglaublich lieb und charmant und für sein Alter erstaunlich weit, im nächsten Augenblick führt er sich wie ein Monster auf, das über alles herfällt, was ihm in die Quere kommt, einschließlich seiner kleinen Schwester.
    Physisch betrachtet, laufen solche Kinder gewissermaßen heiß. Sie werfen ihre Mäntel ab, Mützen, Handschuhe, Schuhe und Socken. Gleichzeitig sind sie überdurchschnittlich intelligent, wenngleich ihr brillanter Geist in einem chaotischen Körper gefangen ist. Darüber hinaus empfinden sie Emotionen in potenzierter Wucht. Sie lieben nicht bloß, sie lieben extrem. Sie hassen nicht bloß, sie hassen extrem. Sie übertreiben alles, und nichts kann sie beruhigen. Weder Therapien noch Medikamente oder all die Bemühungen der Eltern, die sich in ihrer Verzweiflung schließlich an mich wenden. Es geht eben nicht nur um physische, mentale oder emotionale Aspekte, sondern eben auch und ganz besonders um das Spirituelle, um jene Ebene, die von Experten unserer Zeit geflissentlich übersehen wird.»
    «Sind wir jetzt beim Exorzismus angelangt?», fragte D. D. verärgert.
    «Ach was. Ich glaube nicht an Gott und deshalb auch nicht an den Teufel.»
    «Aber Sie glauben an das Licht und an dunkle Kräfte.»
    «Allerdings. Deshalb setzt meine Arbeit bei den Eltern an. Wir beginnen mit einfachen Ritualen und Techniken der spirituellen Läuterung, also Meditation oder Übungen zur psychischen Selbstimmunisierung.»
    «Wie bitte?»
    «Sind Sie an meiner Broschüre interessiert?»
    «Und wie!»
    «Erinnern Sie mich daran, dass ich Ihnen eine mitgebe, bevor Sie gehen. Davon abgesehen finden Sie auch weitere Informationen auf meiner Website.»
    «Sind dort auch diese Übungen veröffentlicht? Für jedermann frei zugänglich?»
    «Talente sind dafür da, dass man sie teilt.»
    «Richtig. Im Gegensatz zu negativen Energien.»
    «Sie kommen langsam dahinter. Die Übungen bestehen vorwiegend aus Formeln, die ich selber verfasst habe und die geeignet sind, auch eher traditionell gesinnten Personen auf die Sprünge zu helfen. Ich suche Familien nicht zuletzt in ihrem Zuhause auf, um mir einen Eindruck von den vorherrschenden Energien zu machen –»
    «Die Energien in den eigenen vier Wänden?»
    «Ja. Häufig komme ich mir darin vor wie in einem Kühlschrank. Überall Negativität. Kein Wunder, dass eine alte Seele unter solchen Verhältnissen krank wird.»
    «Sie sind also zu Hause bei Ihren Patienten …»
    «Mit denen ich dann meditiere und jedes einzelne Familienmitglied dazu bringe, sich auf sein inneres Licht zu konzentrieren. Wenn es uns gelungen ist, den Fokus auf die Liebe zu lenken, habe ich die Wahl. Entweder versuche ich es mit einer Übung zur psychischen Selbstimmunisierung oder mit Läuterungstechniken, wobei ich in der Regel mit der Mutter anfange. Die Bindung an ihre Kinder ist extrem stark, weshalb alle Negativität, der sie ausgesetzt ist, auf die Kinder übertragen wird. Viele Ärzte verfahren ähnlich, nämlich nach dem Prinzip: Kümmere dich um die Mutter, und du kümmerst dich um das Kind.»
    D. D. hatte diesen Spruch schon einmal gehört. «Haben Sie außer Formeln sonst noch etwas in petto? Verbrennen Sie vielleicht Federn, oder hantieren Sie mit irgendwelchen Halbedelsteinen?»
    Er grinste. «Nein, Federn verwende ich nicht, und mit Kristallen arbeite ich nur, weil mich die meisten Patienten darum bitten. Es kann nicht schaden, einen Talisman zu haben. Ich für mein Teil lege Wert auf das gesprochene Wort. Ich versuche, den Familien zu erklären, was es mit Energien auf sich hat und wie ihre Kinder die Welt erfahren. Ich bringe ihnen bei, wie sie von der Wut auf ihre Kinder ablassen, sie tolerieren und wieder lieben können. Und ich helfe ihnen dabei, das Positive in den Vordergrund zu rücken und alles Negative auszublenden. Wenn sie ihre innere Wahrheit gefunden haben, können sie wieder wirklich Eltern ihrer Kinder sein.
    Die Familien, von denen ich rede, sind nicht intakt, die Ehen meist zerrüttet. Die Eltern haben den Kontakt zu den Kindern verloren, und auch die Beziehungen der Geschwister untereinander liegen im Argen. Nicht nur das sogenannte Problemkind, sondern die ganze Familie bedarf der Heilung. Auch an der Stelle hapert es in unserer modernen Medizin. Sie untersucht