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Die Frucht des Bösen

Die Frucht des Bösen

Titel: Die Frucht des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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einfach nur Gefallen am Hin und Her. Aber plötzlich blieb sie stehen und legte beide Hände auf die Fensterscheibe. Sie hatten wohl mein Spiegelbild im Glas gesehen.
    War sie noch verärgert über unsere jüngste Konfrontation? Hatte sie Angst, würde sie trotzig reagieren?
    Lucy wandte sich vom Fenster ab und kam langsam in Schlängellinien auf mich zu. Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst. Doch dann streckte sie ihre weiße Hand aus, auf der ein kleines Bällchen lag, zusammengefriemelt aus ausgerupftem Teppichflor. Ein selbstgemachtes Spielzeug.
    Ich zögerte. Sie ließ den Ball auf der Hand rollen.
    Ich nahm ihr Geschenk entgegen und schloss die Finger darum, worauf sie wieder durch das Mondlicht tanzte und die schwingenden Arme silbern aufleuchten ließ.
    Ich steckte ihr Friedensangebot in die Tasche und kehrte zu Sergeant Warren zurück.
     
    Ich wollte gerade das Klassenzimmer betreten, als mir bewusst wurde, dass ich vergessen hatte, mir ein Glas Wasser zu holen. Also ging ich wieder in die Küche, wo mir Greg über den Weg lief. Benny und Jimmy hatten sich immer noch nicht beruhigt. Ich gab Greg zwei Benadryl für die Jungen und eilte ins Klassenzimmer, wo mir Sergeant Warrens Miene verriet, dass ich immer noch kein Wasser hatte.
    Nach dem dritten Anlauf fand ich schließlich ein Glas in der Küche und drehte den Wasserhahn auf, als der andere Detective, nämlich LeBlanc, seinen Kopf zur Tür hereinsteckte und sagte, dass im Kopierer kein Papier mehr sei.
    Also bestückte ich den Kopierer mit Papier und warf dabei einen Blick auf die Seiten, die er schon kopiert hatte. Ich bot ihm an, sie ins Klassenzimmer zu bringen, was er aber nicht wollte. Ich zuckte nur mit den Schultern, und da er mit der Akte «Tika» anscheinend fertig war, nahm ich das Original mit.
    Vor der Tür zum Klassenzimmer fiel mir auf, dass ich mein Wasserglas auf dem Kopierer hatte stehenlassen. Ich musste wieder zurück, aber dann war es geschafft: Mit dem Glas in der einen und der Akte in der anderen Hand betrat ich das Klassenzimmer.
    Sergeant Warren warf einen Blick auf ihre Uhr, als ich Platz nahm. Ihre Kollegen saßen links und rechts neben ihr.
    «Brauchen Sie immer eine Viertelstunde, um sich ein Glas Wasser zu holen?», fragte sie.
    «Oh, manchmal werden auch zwanzig Minuten draus. Heute Nacht hatte ich Glück. Ich wurde nur vier- oder fünfmal abgelenkt. Keine Sorge, wir werden auch hier nicht ungestört bleiben.»
    «Turbulente Nächte», bemerkte der Detective zu ihrer Linken. Er war auch beim letzten Besuch dabei gewesen. Ich erkannte ihn wieder. George Clooney in der Rolle eines Bostoner Polizisten.
    «Geburtstagsparty», erwiderte ich. «Das kommt der Sache schon näher.»
    «Geburtstagsparty?», fragte er.
    «Priscilla ist zehn geworden. Das haben wir gefeiert. Mit selbstgebackenem Kuchen, Girlanden und Papierkronen. Die Kinder waren sehr aufgeregt, und das hat bei uns meist Konsequenzen.»
    «Warum feiern Sie dann solche Partys überhaupt?», fragte Sergeant Warren stirnrunzelnd. Ich konnte mir diese Frau als Gestapo-Oberst vorstellen. Sie würde in der Rolle bestimmt eine gute Figur machen.
    «Weil die meisten unserer Kinder früher nie ihren Geburtstag gefeiert haben», erklärte ich. «Aber es sind Kinder, und Kinder sollten gefeiert werden.»
    «Jetzt sind sie aufgedreht und kommen nicht zur Ruhe.»
    Ich schaute ihr in die Augen. «Priscilla hat einen Gehirnschaden, der daher rührt, dass sie als Säugling geschlagen wurde. Sie bekommt die Zahlen nicht auf die Reihe. Aber heute hat sie es geschafft, zehn Kerzen abzuzählen und auf dem Kuchen zu verteilen. Und was uns, das Personal, betrifft, nehmen wir dafür gerne in Kauf, dass sie anschließend die Bude auseinandernehmen. Sie haben es verdient, dass wir sie feiern.»
    Sergeant Warren musterte mich. Ob ich sie mit meinen Worten erreicht hatte, war nicht zu erkennen. Aber diese Frau verbrachte ja ihre Arbeitszeit damit, Leichen auf den Rücken zu drehen, also wusste sie auch, wie ein totes Gesicht aussah. Beim Pokern wäre ich ihr mit Sicherheit unterlegen.
    «Und Tika Solis? Gab es für sie auch eine Geburtstagsparty?»
    «Das weiß ich nicht.» Ich öffnete die Akte. Sergeant Warren beugte sich vor und schlug den Deckel zu.
    «Nein. Ich möchte, dass Sie sich erinnern. Was ist Ihnen von ihr in Erinnerung geblieben?»
    «Nichts.»
    «Was soll das heißen?»
    Ich zuckte mit den Achseln. «Der Name Tika Solis sagt mir nichts.»
    «Aber an Ozzie Harrington

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