Die Frühstücksfreundin
als gehöre es dazu. Da drehte es den Kopf wieder nach vorn — Birgit. Vor Karl blieb sie stehen, sah ihn von oben bis unten an und sagte:
»Na?«
»Hallo«, antwortete der, gerade damit beschäftigt, den Hochglanz auf seiner Stirn abzutupfen.
»Oh, guten Abend.« Omilein drängte hinzu, doch Karin lenkte sie ab und vereitelte ihre Kontaktfreude. Birgit drehte sich noch einmal nach dem Kameramann um, und es war Robert, als blinzelte sie ihm zu, da hatte sie Karl schon wieder im Blick, sprach laut und deutlich das Wort »Scheißkerl!« aus und unterstrich die Bedeutung mit der flachen Hand auf seiner Hochglanzbacke. Kameras surrten, klickten und blitzten. Pinguine und Damen drängen von hinten, wollen spontanes Theater erleben, wie die Oper ausgeht, wissen sie ja. Und Karl liefert, was sie wünschen, steckt sein Taschentuch ein und wendet sich vor den Kameras lächelnd an sie.
»Berufsrisiko. Als Anwalt ist man solchen Situationen mitunter ausgesetzt.«
Schon ist Omilein an seiner Seite, fuchtelt mit der schweren, reichbestückten Hand:
»Mein Gott, Karli! Wie konnte denn das geschehen? Hast du dir wehgetan?«
Birgit steht abseits in der Menge. Robert wittert weiteren Ärger.
»Kümmere dich um Karin«, raunt er Franziska zu, bahnt sich einen Weg, faßt nach Birgits Hand und zieht sie fort, ins Foyer zuerst, wo es leerer ist. Irgendwo sieht er seinen Chef herumstehen. Ausgerechnet. Aber das ist jetzt nicht zu ändern, nur weiter, fort, über einen Seiteneingang hinaus, weg von den Leuten. Dieses Mädchen ist unberechenbar.
»Aua, lassen Sie mich los. Was haben Sie denn vor?« mault Birgit kleinlaut.
»Wo ist Ihr Auto?«
Sie deutet über die Straße, wo noch immer ein Menschenknäuel die Anfahrt begafft, Menschen in Massen, gerade richtig, um unterzutauchen. Sie erreichen das offene Spielzeug, Robert läßt sich die Schlüssel geben, findet sich zurecht und fährt los, um die nächste Ecke. Warum eigentlich? Warum mischt er sich da ein? Was geht sie ihn an? Warum muß er immer geradebiegen, was Karl verdummt mit seiner unbewältigten Offenheit? Wann wird dieses Rindvieh mal gescheit? Und er Rindvieh sitzt wieder mit im Boot. Wieso passiert ihm das? Immer wieder.
»Wo fahren Sie hin?« fragt Birgit leise.
»Ich bringe Sie nach Hause. Sagen Sie mir den Weg.« Sie nickt und deutet geradeaus. Sie kämpft mit den Tränen, wie ein eigensinniges Kind, wenn die Scherben daliegen. Der Fahrtwind tut ihm gut. Karl hat sich ganz geschickt aus der Affäre gezogen. Seine Mutter wird glauben, was er gesagt hat, und nicht nur sie. Karin wird Haltung bewahren.
»Wohin?«
Die Tränen sind da. Sie deutet zur Seite, schluchzt, putzt die Nase. Jetzt ist sie ansprechbar, ruhig kann er mit ihr reden, ohne Vorwürfe. Gewiß, Karl hat sie versetzt, aber das reicht nicht aus. Dafür nicht. Stumm nickt sie, zu allem, was er sagt, deutet Richtungswechsel an. Vor einer terrassenförmigen Eigentumsbunkeranlage aus grauem, unbehauenem Beton läßt sie ihn halten. Aus den unterteilten Balkongeländern, die wie massive Prellböcke vor den Fenstern stehen, ragt verlorenes Grünzeug, vergeblich bemüht, die Brutalität des Architekten zu mildern.
Macht der Festungsbau sie so aggressiv?
Innerlich muß Robert lachen über seinen Gedanken. Er gibt ihr die Schlüssel. Verweint schaut sie ihn an. »Kommen Sie noch mit rauf. Bitte.«
Er schaut auf die Uhr. Die Ouvertüre dürfte gerade begonnen haben. Wo soll er hin in seinem kleinen Pinguin? Frühestens zur Pause kann er rein. Also gut. Der Betonklotz empfing sie mit angenehmer Kühle. Birgit räusperte ihre Stimme frei.
»Sie waren sehr nett zu mir. Warum haben Sie das getan?«
»Es mußte etwas geschehen. Alles hat gestockt, und ich sah nur Fotografen um sie herum. Sie mußten verschwinden.«
Ein Hauch von Zwiebel und Räucherstäbchen wehte ihn an. Birgit hatte die Tür aufgeschlossen.
Das war keine Wohnung, in die sie eintraten, das war die Dekoration für ein Bühnenstück aus der Jahrhundertwende: roter Plüsch, Korbsessel, Palmen, schwere Vorhänge, Lüster.
»Aha.« Seine Verwunderung war nicht zu überhören. Birgit nahm zwei Gläser vom Tisch, ging in die Küche, um sie auszuspülen, und schenkte von dem warmen unverkorkten Weißwein ein, der neben einem übervollen Aschenbecher stand.
Chablis!
»Ich hab mich idiotisch benommen«, sagte sie. »Ich hab durchgedreht. Aber Sie waren nett zu mir. Das braucht man manchmal.«
Robert sagte nichts. Deutlich sah er sich
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