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Die Frühstücksfreundin

Die Frühstücksfreundin

Titel: Die Frühstücksfreundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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verläßt den Parkplatz und reiht sich in den Verkehrsstrom ein.
    »Worauf willst du hinaus?«
    Er spürt ihren langen Seitenblick, hört den ironischen Unterton:
    »Du weißt, daß ich dich erpressen könnte?«
    »Ich weiß nur, daß du’s nie tun würdest.«
    »Bist du ganz sicher?«
    »Ganz sicher.«
    »Du hast seinerzeit gesagt: Nicht jeder hat das Glück, bei einunddemselben Partner alles zu finden, was er zu seiner Selbstverwirklichung braucht.«
    »Und?«
    »Und ich habe gesagt, man muß sich entscheiden. Entweder die Wahrheit sagen oder lügen.«
    »Und?«
    »Du tust beides. Gleichzeitig«, sagt sie sanft, und er lacht:
    »Jetzt geht die Theorie mit dir durch.«
    Vergnügt schüttelt sie den Kopf:
    »Zu Hause kannst du die Wahrheit sagen, weil du als Frühparker nicht verdächtig wirst; bei Sidonie kannst du sie sagen, sagst sie aber nicht immer, und bei mir, die ich alles weiß, spielst du den Charakterbürger. Ich bin gespannt, wo das hinführt.«
    »So? Bist du das?«
    »Du vergißt nämlich, daß du dich dabei veränderst. Das wird Franziska verändern. Und Sidonie.«
    »Aha.« Robert lacht ein wenig zu laut. »Und dann kommst du?«
    Christines Stimme wird noch sanfter:
    »Ich möchte nur sehen, ob du dann alles unter einem Dach hast. Unter welchem.«

    Es war einer jener Sommerabende, wo Kulturgenuß schwerfällt, ja Überwindung kostet. Mit schwüler Luft lag das alte Hoch sozusagen genau über dem Opernhaus. Wer mag da drinnen sitzen müssen, mit Rinnsalen das Rückgrat hinunter, stillsitzen in enger, festlicher Kleidung?
    Alle.
    Unterstützt von den künstlichen Sonnen der Indiskretion lauerten überall die Glasaugen zeitgenössischer Öffentlichkeit, die Film- und Fotolinsen von Fernsehen und Presse, lauerten mückenumschwirrt draußen, wo die großen Tiere vorgekarrt wurden, und drinnen in der relativ kühlen Vorhalle des Foyers, wo die Prominenz das Klingelzeichen zur kulinarischen Sauna erwartete. Wenn das Volk am Bildschirm Loge sitzt, scheut demokratische Elite keine Strapazen.
    Robert und Franziska waren hier nur Zufallsgäste. Omilein fühlte sich dazugehörig. Von der Stirn bis ins wetterfeste Decolleté mit Perlen unterschiedlicher Herkunft übersät und abermals neu eingewandet, trotzte sie selbst schärfsten Scheinwerfern, schwamm wie ein lauter Zierfisch zum Licht, dort, wo es am erbarmungslosesten strahlte; bei den Koryphäen einer internationalen Konferenz. Unter ihnen als Gastgeber der Oberbürgermeister, der sich in seinem weißen Smoking eher einer Bordkapelle als der Kommune zuordnen ließ.
    Wo Omilein war, durfte ihr Karli nicht weit sein. Sie hat den Sohn nie losgelassen, und so strahlte er Hochglanz an ihrer Seite, im kleinen Pinguin, in der federleichten Tropenausführung, mit Karin am Arm, die gattenmild nach allen Seiten lächelte. Öffentlichkeit von Rang wirkt ehefreundlich.
    Die Gespräche, die einander überlagerten, unterschieden sich thematisch wenig. Begrüßungsmotive und als Kadenz konventionelle Charmespenden an die Damen. Der Auftrieb an bekannten Gesichtern war beträchtlich. »Dein Rosenkavalier«, sagte Robert mit Armdruck. Zwischen einem Würdenträger der Stadt und einem des Staates schlug sich Kirschner eine Bresche. »Gnädige Frau, welche Freude. Hat Ihnen Ihr Mann meine Grüße bestellt? Wir trafen uns vor ein paar Tagen.«
    Beide bestätigten wunschgemäß, worauf der Professor nach einigen Floskeln das Hinhaltemotiv anschlug: »Wir sehen uns in der Pause.«
    »Vorsicht!« sagte Karl zu Franziska. »Bei dem kannst du dich nicht mehr operieren lassen. Da zittert das Skalpell.«
    Robert drückte Franziskas Arm, um ihre Aufmerksamkeit umzuleiten.
    »Mein Chef. Da drüben.«
    Mit halbgefrorenem Lächeln kam der gepflegte Sechziger auf Distanz vorbei, eine hübsche rundliche Frau am Arm, deren Gesicht Robert an ein ähnliches erinnerte.
    An welches, wußte er nicht. Franziska sah dem Chef nach.
    »Und so was verfügt also über uns.«
    »Ach, laß mal. Zur Zeit kann ich mich nicht beklagen.«
    »Mich deprimieren diese Smokingtypen.«
    »Wir gehören ja nicht dazu«, beruhigte sie Robert.
    Er sah sie an und mußte Kirschner recht geben. Wenn auch mit anderen Worten. Irgendwo wurde es laut. Pinguine und Damen drehten die Köpfe.
    »Wie festlich!« schwärmte Omilein und strahlte dem Kameramann entgegen, der direkt auf sie zukam, so schnell es das Gedränge erlaubte. Erst jetzt bemerkte Robert ein Mädchen, das vorausging, sich gerade zu dem Kameramann umdrehte,

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