Die Frühstücksfreundin
fallen. Und da konnte er so tief schlafen?
Nichts am Strand läßt die veränderte Situation erkennen. Zehn Schirme auseinander liegen die beiden Paare, wie gehabt. Robert geht ans Wasser, spielt mit den Kindern; Sidonie hat sich aufgesetzt, Franziska grüßt hinüber. Sie winkt herüber, stellt sich au fihre Bronzebeine. »Robert«, ruft Franziska und bedeutet ihm zu grüßen. Robert tut’s, und der andere Robert auch. Franziska sitzt aufrecht, mit erhobenem Arm, wie in einem Ferienprospekt. Sidonie steckt das Haar unter die Bademütze, und Robert der Ältere winkt mit seinem Buch. »Sie geht ins Wasser«, sagt Franziska. »Geh mit ihr! Schwimmt zusammen.«
»Wenn du meinst...«
Vorbei am Erfrischungszelt geht er auf Robert den Älteren zu, korrekt, als wolle er die Gattin zum nächsten Tango holen. Die Herren sagen einander Wettersätze, Sidonie wird freigegeben. Nebeneinander waten sie durch die Brandung. Im knietiefen Wasser bleibt Robert stehen.
»Daran muß ich mich erst gewöhnen.«
Sidonie sagt nichts. Was sollte sie auch sagen kurz vor der Entscheidung? Gleich wird sie fragen. Oder erwartet sie, daß er anfängt?
Miteinander bekannt, wie sie das jetzt öffentlich sein dürfen, schwimmen sie gemächlich hinaus. Robert sagt Sätze, als wären die Ehepartner mit im Wasser. Verlegen scherzt er:
»Jetzt ist es aus mit den Heimlichkeiten.«
»Es sollte wohl so sein.«
Sidonies Stimme ist ohne Ausdruck, wie der Blick der grauen Augen. Robert will ihr näherkommen, unterläßt es aber. Die Familie als Zuschauer im Nacken hindert ihn trotz der Entfernung.
»Schwimmen wir raus.«
»Bitte nicht. Mir ist kalt.« Sie lächelt kraftlos.
»Aber wir wollten doch reden?«
Sidonie gibt keine Antwort und spricht ihm damit aus dem Herzen. Die Spannung ist weg, sie kehren um. Vor ihnen liegt der Strand. Sie winken den Partnern zu, am Wasser spielen seine Kinder.
Ein Aufschrei.
Martin steht auf einem Bein, hält den andern Fuß mit beiden Händen, Franziska ist aufgesprungen und läuft zu ihm.
So schnell er kann, crawlt Robert, tropft besorgt zu den Seinen. Eine zerbrochene Bierflasche im Sand — und Opfer des Umweltverschmutzers ist Martin. Schon hat der Vater ihn auf den Armen, die Mutter wickelt ein Tuch um die stark blutende Wunde, Jennifer räumt die Sachen zusammen, Sidonie kommt aus dem Wasser, und der ältere Robert schaut gerade nicht her.
Flüchtige Medizinkenntnisse faseln von Tetanus, flüchtige Sprachkenntnisse verlangen nach ärztlicher Hilfe. Ein unrasierter Einheimischer bietet sich mit seinem Kleinwagen an, in dem die Not Platz schafft für die ganze Familie; die Schenkel kleben auf dem speckigen Kunststoff. Als letzter quetscht sich der freiwillige Helfer dazu, nimmt Platz auf Körperteilen, löst die Bremse und startet die Rettungsaktion in todesverachtender Fahrt.
Schmuck, mit ausländischen Währungen auf den Stand der Zeit herausgeputzt, liegt das kleine Krankenhaus da. Die Bremsen quietschen. Überall Hinweisschilder in vier Sprachen. Nur, wie lange man warten muß, steht nirgends.
Doch Blut kürzt ab.
Staub flimmert im einfallenden Sonnenlicht, der kleine Arzt hustet in die Hand, bevor er nach dem Fuß greift. Es muß genäht werden. Elternblicke. Ob die Spritze sauber ist? Die Muttergottes auf der Konsole gehört hoffentlich zum Personal.
Martin gibt Anlaß zu Familienstolz. Keine Miene opfert er dem Schmerz. Er vertraut dem kleinen Arzt mit den geschickten Händen. Franziska lernt neue Vokabeln, den Körper betreffend, die Gesundheit. Eine Holzsandale muß gekauft und ausgesägt werden; gegenüber können sie sich stärken, in der touristenfernen Gasse, so gut, wie nirgendwo bisher. Die Gemüter beruhigen sich. Martin im Mittelpunkt, lacht schon wieder. Der kleine Arzt und große Kinderfreund hat den Augenblick, da der Schmerz zurückkommen müßte, weit hinausgeschoben und Linderndes mitgegeben, ohne es zu berechnen.
Um einen Schock geschlossener fährt die Familie mit dem Omnibus zurück. Franziska lernt neue Vokabeln, weil ein verletztes Kind hier ein Ereignis darstellt, an dem alle teilhaben. Jennifer sitzt, der Enge wegen, auf Pappis Oberschenkel und hat den Arm um seinen Hals gelegt.
Später sitzen sie, weniger eng, im Hotelzimmer feierlich um das Bett ihres kleinen Helden, lenken ihn ab, bis die Mittel wirken, und er entschlummert. Schwester Jennifer schläft Nachtwache. Drüben ist kein Licht. Die Eltern greifen im Bett zur Grappaflasche, bevor sie sich Hand in Hand
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