Die Füchsin
meine Jungfräulichkeit ein wenig verblasst war, amüsierte er sich damit, mir all die anderen, teuflischen kleinen Wege zum Mittelpunkt des Labyrinths beizubringen, und sobald ich sie erst kannte, fand er es schon wieder langweilig. Ich war seine Stute. Und ich war sattelmüde. Also suchte er sich ein neues Pferd. Manchmal, wenn er zwischendurch zu mir kam, konnte ich es nicht ertragen, weil ich wußte, daß es nichts weiter als ein ›guter Ritt‹ unter zahllosen anderen war.« Geschickt bandagierte sie seine Wunde mit einer neuen Rolle Leinenstreifen. Ihre Hände waren ruhig, nur ihr Kinn zitterte ein wenig.
»Dein Vater hatte recht«, sagte er nach ein paar Sekunden. »Du weißt es wirklich, wie du deine Ehemänner aussuchen mußt. Wir sind alle Bastarde.« Er berührte eine Strähne ihres Haars, das sich von ihren hochgesteckten Zöpfen gelöst hatte. »Wenn ich mich schlecht benommen habe vorhin, vergib mir. Ich hatte Angst, und ich war überreizt. Verhungernde Männer und Festmähler passen nicht zusammen.«
Sie blinzelte und wandte sich ab, um ihr Nachthemd auszuziehen; danach wischte sie mehrmals ihr Gesicht daran ab. Jetzt hatte sie den Schutzschild seiner Gleichgültigkeit durchdrungen und gesehen, was dahinterlag, und dabei hatte sie mehr von sich selbst verraten, als ihr lieb war. Sie fühlte sich nackt in der Seele, verletzlich und erschreckt. Adam beobachtete sie – sie fühlte, wie sich seine Blicke in ihren Rücken bohrten. Rasch blies sie die Nachtkerze aus, so daß völlige Dunkelheit herrschte, aber als er sie an sich zog, ließ sie sich ohne Widerstand in seine Arme sinken und legte den Kopf auf seine Brust.
Er fühlte ihre Wange, kühl und feucht, streichelte ihr Haar und wußte nicht, ob er im Himmel oder in der Hölle war.
F ÜNFZEHNTES K APITEL
Miles fühlte, wie der Schritt des Grauen zum dritten Mal erlahmte, und mit besorgtem Blick auf die dunklen Wolken, die sich wie Wolle ballten und Regen verhießen, zog er an den Zügeln, stieg steif vom Rücken des Tiers, und die Schmerzen in seinen Gelenken strahlten ein nicht zu übersehendes Stechen und Ziehen aus. Er nahm seine Kettenhandschuhe ab und strich vorsichtig mit der Hand über die verdächtige Stelle am nahe gelegenen Vorderlauf des Tiers, fühlte das heiße, geschwollene Kanonenbein und wußte, daß da nicht mehr viel zu machen war.
»Schwierigkeiten, Mylord?«
Er wandte sich dem Kommandierenden seiner Eskorte zu, der selbst auch abgestiegen war, und breitete die Hände in einer hilflosen Geste aus. »Es ist eine alte Verletzung. Ich dachte, er hätte lange genug gerastet in diesen Wochen auf Thorneyford, aber ich habe mich offensichtlich verschätzt. Ihr solltet das Pferd vom Ende des Zuges holen und ihn statt dessen dort einordnen. Er kann mein Gewicht nicht mehr so weit tragen, wie wir vor Einbruch der Dunkelheit kommen wollen.«
»Ja, Mylord – und Ihr? Ist alles in Ordnung?«
Miles lächelte in das junge Gesicht, das so besorgt wirkte hinter dem breiten Nasenschutz seines Helms. »Es ist nichts, was ein wärmendes Feuer und ein Becher Glühwein nicht kurieren könnten, Gervase. Mein Blut fließt heute so langsam wie der Dee im Winter.« Er zog sich die Handschuhe wieder an und schlug die Hände zusammen, die gefühllos geworden waren von der Kälte. Heute waren die Gliederschmerzen wie ein feines Messer, das seine Klinge zwischen seine Glieder stach und sie auseinanderzusprengen drohte. Die beißende, feuchte Kälte schmerzte in seinen Lungen, als er sie einatmete, und schickte einen Schauer durch seinen Körper. Er fragte sich kurz, ob es der nach Hause drängende Instinkt des sterbenden Pferdes war, der ihm das Bedürfnis eingegeben hatte, durch die Marken zu seinem Hauptsitz zu reisen, ohne auf das Wetter zu achten oder auf die Ermahnungen seiner Enkeltochter und ihres neuen Ehemannes, daß er wenigstens bis Lichtmess bleiben sollte. Vielleicht. Sein Körper war ihm jetzt meist eine Last und nur noch selten eine Freude. Er ging langsam zum hinteren Ende des Zuges, wo der Knappe von Gervase den Braunen sattelte.
»Ihr könnt aber auch jederzeit im Wagen sitzen«, sagte der junge Ritter und zeigte auf den Wagen mit seinen Reisekisten und Lebensmitteln für Milnham-on-Wye, die ihm Adam und Heulwen aufgenötigt hatten.
»An dem Tag, wo ich nicht mehr auf den Rücken eines Pferdes klettern kann und mit so einem Ding vorlieb nehmen muß, möchte ich begraben werden«, entgegnete Miles plötzlich sehr mürrisch. Ja, er
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