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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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angelegten
Kurzzeitspeicher und las die Gehirnaktivitäten der vergangenen sechs Stunden
herunter. Dieses Protokoll mailte sie an Dschinn weiter. Sie wollte besser nicht
wissen, was der Gestaltwandler damit anfangen würde.
    „Sie können aufstehen“, sagte sie
und stellte den Scanner aus. Dann machte sie sich daran, unsanft seine
Prellungen und Verletzungen zu behandeln und spritzte ihm eine Dosis Zylanophan-B.
Der Stoff war harmlos, aber er rief Symptome hervor wie bei einer mittelschweren
Grippe. Erschöpfung und Schwindelgefühle, eine fiebrige Steigerung der
Wahrnehmung, Übersensibilität gegen Berührungen ... „Wenn ich Ihnen die
üblichen ärztlichen Ratschläge erteilen darf: Verzichten Sie auf Alkohol,
gewalttätigen Sex und Korridorprügeleien, und Sie werden sehen, es geht ihnen
bald viel besser.“ Sie schenkte ihm ein schmales Lächeln und entließ ihn mit
einem Kopfnicken.
     
    Er verließ die Krankenstation mit dem
nagenden Gefühl, dass die Ärztin ihm hinterhergrinste. Vielleicht holte ihn
auch nur sein Verfolgungswahn ein. Nicht jeder, dem er begegnete, hatte es auf
ihn abgesehen. Nervös schaute er nach rechts und links, während er in Richtung
seiner Wohnkabine hastete.
    Er war überrascht, als er heil und
ohne weitere Zwischenfälle zu Hause ankam.
    Die Tür öffnete sich bei seinem
Gedankenbefehl. Er sah die vertraute Einrichtung in roter Seide und schwarzem
Leder und fühlte die Anspannung der letzten Stunden von sich abfallen. Als sich
die Tür hinter ihm schloss, strich ein Luftzug an ihm vorbei. Eine winzige
Sekunde bildete er sich ein, jemand sei mit ihm in den Raum gekommen. Die
Härchen in seinem Nacken stellten sich auf.
    Er schob den Gedanken beiseite.
Jeder hochrangige Caesare litt bis zu einem gewissen Maß unter solchen
Wahnvorstellungen, sah einen Angreifer in jedem Schatten an der Wand. Manchmal
war es Überlebensinstinkt, manchmal nur überhitzte Fantasie. Man durfte sich
davon nicht verrückt machen lassen. Er hatte schon viele in der Gilde gesehen,
die als zitternde Wracks in der Nervenheilstation endeten, nur weil sie die
Kontrolle über ihre Ängste verloren hatten. Statt sich mit eingebildeten
Gefahren zu beschäftigen, dachte er lieber an einen großen Teller Paella mit
einer Extraportion Shrimps.
    Die Schamanengilde war nicht
gerade ein Schlaraffenland. Er hatte seit über vierundzwanzig Stunden nichts
gegessen. Der Hunger war es wohl, der ihn schwindelig werden ließ, jedenfalls
fühlte er einen plötzlichen Schwächeanfall und setzte sich aufs Bett. Eine
fiebrige Hitze lief durch seinen Körper. Das Zimmer drehte sich, er schloss die
Augen. Aus der Ferne schickte er seine Bestellung an den Recycler und ließ sich
rückwärts in die Kissen sinken. Seine Eingeweide krampften sich zusammen, und
die unwillkommene Erinnerung an die Zeit in den Slums spukte durch seinen Kopf.
    Endlich, nach einer halben
Ewigkeit, meldete sich die Maschine mit einem Piepton. Janus quälte sich aus
dem Bett. Inzwischen kam er kaum noch auf die Beine. Am liebsten wäre er liegen
geblieben, aber sein Magen protestierte wütend … Der Weg zum Recycler war das
kleinere Übel. Der Boden schien unter seinen Füßen zu schwanken, er stützte
sich an die Wand und griff nach dem Teller. Dann erstarrte er mitten in der
Bewegung. Der Recycler hatte keine Paella mit Shrimps produziert. Stattdessen
lagen auf dem Teller drei reife Passionsfrüchte.
    Das Bild sah aus, als habe man es
direkt aus seinem Stromtraum kopiert. Fiebrig starrte Janus auf den Recycler
und wich unwillkürlich zurück, wie er es auch bei dem Händlerkarren in Kalkutta
getan hatte. Die Spielregeln waren nur allzu klar: Er würde auch diesmal
hungrig bleiben. Nichts in der Welt würde ihn dazu bringen, dieses Essen anzufassen.
    Mit einem Gefühl von Unvermeidbarkeit
verließ Janus seine Wohnung und schleppte sich zum nächsten öffentlichen
Recycler. Er bestellte eine Pizza. Das Gerät produzierte drei Passionsfrüchte.
Er hatte im Grunde nichts anderes erwartet.
    Auf dem Nachhauseweg wurde er von
einer Gruppe Azteken überfallen, die behaupteten, er habe ihren Hohepriester
beleidigt. Janus bemühte sich nicht einmal, die Verwechselung aufzuklären. Als
sie über ihn herfielen, suchte sein Blick das Mädchen mit den goldenen Augen.
Sie stand an einen Türeingang gelehnt und lächelte. Irgendwann verlor er das Bewusstsein.
    Er wachte in seinem eigenen Zimmer
wieder auf. Die Spuren eines bekannten Alptraums verflüchtigten sich, als

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