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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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er
die Augen öffnete. Er lag nackt auf dem Bett, jemand hatte ihn medizinisch
versorgt. Er sah die Klebespuren von Quickhealern auf seinem Körper, und das
Atmen schmerzte. Anscheinend hatte man einige gebrochene Rippen repariert.
Janus zog eine Grimasse und sagte sich, dass er in seinem Leben schon
Schlimmeres durchgestanden hatte. Um bei den Caesaren an die Spitze zu
gelangen, musste man hart im Nehmen sein. Sein erschöpfter Blick fiel auf den
Recycler, in dem noch immer drei unbestellte Passionsfrüchte lagen. Jemand
hatte in seine Träume hineingegriffen, sein Unterbewusstsein durchwühlt und ihm
dieses Symbol für Schuld und Sühne auf einem Tablett serviert. Inzwischen war
es fast zwei Tage her, dass er etwas gegessen hatte. Er fragte sich, wie lange
er durchhalten würde.
    Eine unbestimmte Zeit verging,
während er in einem Zustand zwischen Wachen und Schlafen dahindämmerte. Immer
wieder dämmerte er für einige Stunden ein, nur um sich voller Schrecken zurück
ins Bewusstsein zu kämpfen. Seine Träume wurden ständig gewalttätiger. Sie
hatten nur noch wenig mit dem Kalkutta der Stromhaft gemeinsam, und er lernte
Winkel seiner Seele kennen, die er nie wieder betreten wollte. Wenn es ihm
gelang, daraus aufzuwachen, schleppte er sich zum Marmorspringbrunnen in der
Zimmerecke und trank etwas Wasser.
    Er hungerte sechs Tage lang, bis
er alle Vorsicht vergaß und sich auf die wartenden Früchte stürzte. Die erste
aß er mitsamt der Schale, danach brachte er genug Beherrschung auf, um sich ein
Küchenmesser zu bestellen. Als es erschien, griff eine unsichtbare Hand danach
und setzte ihm die Spitze sanft aber mit Nachdruck an die Kehle.
    Janus starrte auf den Metallgriff,
der völlig unbegreiflich in der Luft schwebte. Er wich zurück, bis er mit dem
Rücken an die Wand stieß. Das Messer hob sein Kinn und zwang ihn auf die Zehenspitzen,
dann drückte sich die Spitze langsam ins Fleisch. „Bitte“, flüsterte Janus.
    Das Messer verharrte. Eine seltsam
vertraute, melodische Stimme sagte: „Ah, hast du keine Lust dich zu amüsieren?
Wir könnten so viel Spaß miteinander haben.“ Geisterhaft enthüllte sich
eine Gestalt aus der Leere, und der Secundus sah in sein eigenes Gesicht. Er
gab einen erstickten Laut von sich.
    Sein Doppelgänger lächelte, sanft
und grausam. Janus wurde ganz schlecht vor Angst. Starr schaute er auf die
Erscheinung, deren Gesicht sich in Vorfreude verzerrte. Die ebenmäßigen Züge
verwandelten sich in eine Maske purer Bösartigkeit, alle Menschlichkeit schien
aus den Augen zu verschwinden. Er hatte sich nie zuvor so gesehen. Er brachte
es nicht fertig wegzuschauen … ein amüsiertes Zucken der Lippen, erregte Atemzüge,
die den Geruch von Furcht einsogen. Janus hatte aufgehört, das Messer zu
spüren. Er fühlte einen Schmerz in seiner Brust, der jede andere Empfindung
auslöschte und seinen Körper schüttelte.
    Der andere neigte sich vor, bis
sein Mund fast die Wange des Secundus streifte und flüsterte: „Tränen, Janus?
Wahrhaftig, du überraschst mich.“ Er küsste das Salz auf seiner Haut fort,
folgte den Tränenspuren mit der Zungenspitze. Das Gefühl war tröstend und
pervers zugleich. Endlich entfernte er das Messer und trat zurück. Für einen
kurzen Moment wurde eine andere Person hinter der Maske sichtbar. Die dunkle
Schönheit des Secundus strahlte auf, als würde sie von einer inneren Flamme
erleuchtet. Ein Antique schaute durch seine Augen und eine fremde Stimme sagte:
„Wir werden es jetzt zu Ende bringen, wirst du dich wehren?“
    Ganz im Bann der Erscheinung
schüttelte Janus den Kopf. „Wer ...? Du bist das Mädchen mit den goldenen
Augen“, flüsterte er.
    Sein Doppelgänger nickte. Dann
verblasste jeder Ausdruck in seinem Blick und machte der gewohnten sadistischen
Grausamkeit Platz. Der Antique war fort.
    Janus griff nach der Gestalt, als
wolle er die Vision festhalten. Sein Doppelgänger schlug ihm ins Gesicht, so
dass er zurück an die Wand taumelte. Janus starrte in seine eigene von
Grausamkeit verzerrte Miene, während das Messer ihm die Kleidung vom Leib
schnitt und dabei blutende Spuren hinterließ. Er war fast dankbar für den
Schmerz.
     

 
    Caravan lag auf Serails Birkenholzbett
und ließ seinen Blick durch die Kabine schweifen. „Deine Wohnung gefällt mir.“ Der
höhlenartige Raum wurde nur von einem glimmenden Lagerfeuer erhellt. Die Decke
wölbte sich niedrig über seinem Kopf und vermittelte die Geborgenheit eines
Schlammfisch-Brutnests.

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